Verfahrensgang

LG Düsseldorf (Entscheidung vom 03.09.2015)

 

Tenor

  1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 7. kleinen Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 3. September 2015 aufgehoben.
  2. Der Angeklagte wird freigesprochen.
  3. Die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.
 

Gründe

Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 15 € verurteilt. Auf die Berufung des Angeklagten hat das Landgericht die Geldstrafe auf 25 Tagessätze zu je 10 € ermäßigt, dem Angeklagten Ratenzahlung bewilligt und die weitergehende Berufung des Angeklagten verworfen. Daneben hat das Landgericht dem Angeklagten die in beiden Instanzen entstandenen notwendigen Auslagen des nebenklageberechtigten Zeugen A. R. auferlegt. Der Angeklagte hat gegen das Urteil Revision eingelegt und wendet sich gegen die Auslagenentscheidung mit der sofortigen Beschwerde.

Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg; auf die Verfahrensrüge braucht deshalb nicht eingegangen zu werden. Der Angeklagte war freizusprechen, weil die Feststellungen des Landgerichts den Schuldspruch nicht tragen und weitere Feststellungen, die eine Verurteilung rechtfertigen könnten, nicht zu erwarten sind.

Die Beschwerde des Angeklagten gegen die Auslagenentscheidung in dem angefochtenen Urteil ist durch dessen Aufhebung gegenstandslos geworden.

I.

Nach den landgerichtlichen Feststellungen war der Angeklagte als sogenannte 1-Euro-Kraft in der ganztägigen Betreuung der ersten Klasse der Gemeinschaftsgrundschulde R. in D. eingesetzt. Im Rahmen dieser Tätigkeit versetzte er am Nachmittag des 18. Juni 2014 dem sechsjährigen A. R. eine Ohrfeige,

Das Landgericht hat zum Tatgeschehen im Einzelnen folgende Feststellungen getroffen:

"Der Angeklagte war am 18.06.2014 gemeinsam mit dem hauptamtlichen Pädagogen Herrn K. in der OGS-Betreuung der 1. Klasse der Gemeinschaftsgrundschule an der R. 40 in D. eingesetzt. Gegen 14 Uhr befand sich die Klasse mit ihren beiden Betreuern auf dem Hof und spielte gemeinsam. Der Angeklagte goss verschiedenen Jungs Wasser auf die Hände, womit diese sich dann bespritzten, was ihnen, wie bereits zuvor schon mehrfach, große Freude bereitete; hierbei ging es durchaus eher wild zu. Im Laufe der Zeit wurde dem Angeklagten die Situation zu viel und er zog sich in einen hinteren Teil des Hofs zurück, wo Herr K. bereits auf einer Mauer mit dem Rücken zu ihm saß und sich um andere Kinder der Klasse kümmerte. Die Kinder realisierten nicht, dass der Angeklagte nicht mehr mit ihnen spielen wollte und folgten ihm; seine diesbezüglichen verbalen Äußerungen befolgten sie nicht bzw. nahmen sie überhaupt nicht wahr. Der Schüler K. R., der zuvor bereits häufiger Verhaltensauffälligkeiten gezeigt hatte, begann den Angeklagten zu schlagen, auch der sechs Jahre alte A. R., der auch im Zeitpunkt der Hauptverhandlung noch von sehr kleiner Statur war, und einige weitere Jungs der Klasse stürmten auf den Angeklagten ein. Zumindest A. R. und K. R. spuckten in Richtung des Angeklagten; zumindest A. R. traf ihn hierbei auch. Insgesamt waren 5-10 Jungen der ersten Klasse beteiligt und schlugen den Angeklagten. Dieser überlegte sodann, wie er diese Situation beenden und weitere Schläge abwehren könne. Ihm war bewusst, dass die Kinder den Angriff zumindest zu Anfang "spaßig" gemeint hatten; in seiner Ehre fühlte er sich durch das Spucken nicht beeinträchtigt, er dachte jedoch "es reicht" und wollte "die Situation deeskalieren" und auch weitere Schläge abwehren.

Seinen vier bis fünf Meter entfernt mit dem Rücken zu ihm sitzenden Kollegen K. wollte er nicht um Hilfe bitten, da er sich von diesem in der Klasse unerwünscht fühlte und den Eindruck hatte, dass dieser ihn in seiner Eigenschaft als "1- Euro-Kraft" nicht fair, insbesondere nicht gleichberechtigt, behandelte und er von diesem häufig in den Hintergrund gedrängt bzw. in eine Parallelklasse abgeschoben wurde. Die Option, sich für kurze Zeit in das Schulgebäude zurückzuziehen, verwarf er, da er in dem Fall aufgrund des Verlassens seines Postens Sanktionen der Sozialbehörden fürchtete. Auch dass er, als durchaus kräftige Person, den Erstklässlern körperlich massiv überlegen war, hatte er erkannt; Kinder einfach zur Seite zu tragen bzw. festzuhalten hielt er jedoch für deutlich entwürdigender und intensiver als eine Ohrfeige. Ein Wegschubsen der Kinder hielt er für zu gefährlich. Daher entschied er sich, dem ihm am nächsten befindlichen A. R. eine Ohrfeige zu versetzen, um die Situation zu beenden und sämtliche Kinder so von weiteren Schlägen abzuhalten. Diese Ohrfeige verursachte bei dem Geschädigten, wie dem Angeklagten vor dem Schlag bewusst war, nicht unerhebliche Schmerzen, die jedoch nach etwa zehn Minuten wieder abklangen. Der Angeklagte rief nach der Ohrfeige aus: "Ich lasse mich nicht anspucken. Ich bin nicht Euer Fußabtreter." Die Kinder waren durch das Geschehen geschockt und beendeten ihre Atta...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?