Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluss des Ausgleichsanspruchs des Handelsvertreters
Leitsatz (amtlich)
1. Wichtiger Grund im Sinne des § 89b Abs. 3 Nr. 2 HGB für die fristlose Kündigung des Handelsvertretervertrags ist jeder tatsächliche oder rechtliche Umstand (Ereignis oder Verhalten), welcher bei Beachtung aller Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung von Wesen und Zweck des Handelsvertretervertrags sowie der durch den Vertrag begründeten beiderseitigen Rechte und Pflichten dem kündigenden Vertragspartner die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zu dem ursprünglich im Vertrag vorgesehenen oder einem durch fristgerechte Kündigung nach § 89 HGB herbeizuführenden Vertragsende unzumutbar macht, weil es trotz der Beachtung des Gebots der Vertragstreue im Hinblick auf die Umstände des Einzelfalls Treu und Glauben sowie der Billigkeit widerspricht, den Kündigenden am Vertrag festzuhalten.
2. Ausgleichsrechtlich ist nur der Neukunde von Bedeutung, der dem Unternehmer erstmals vom Handelsvertreter in Erfüllung seiner vertraglichen Pflicht zugeführt wird.
3. Bei einer Veräußerung des Kundenstamms ist für den Unternehmervorteil im Sinne des § 89b Abs. 1 Nr. 1 HGB der Betrag maßgeblich, welchen der Unternehmer aus der Sicht bei Vertragsende unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls voraussichtlich als Erlös für die Überlassung des Kundenstamms erzielen kann.
Unterlässt der Unternehmer seinerseits die Durchsetzung dieses Vergütungs- oder Ausgleichsanspruchs, dann kann er dem Handelsvertreter nicht fehlende Unternehmervorteile entgegenhalten.
Normenkette
HGB § 89b
Verfahrensgang
LG Wuppertal (Aktenzeichen 14 O 116/99) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das am 10.10.2000 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des LG Wuppertal wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsrechtszugs.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die Berufung des Beklagten ist zulässig, hat aber aus den mit den Parteien in der mündlichen Verhandlung im Einzelnen erörterten Gründen keinen Erfolg. Das LG hat richtig entschieden. Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 30.168,94 DM mit Zinsen.
A. Provisionsanspruch
Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung rückständiger Provision i.H.v. 5.858,17 DM. Der Anspruch folgt aus § 87 Abs. 1 HGB.
1. Zwischen den Parteien bestand bis zum 31.3.1998 ein Handelsvertretervertrag.
a) Dem Einwand des Beklagten, der Kläger sei zunächst, nämlich vom 1.5.1995 bis zum 31.12.1997, für die von dem Beklagten sog. „Handelsagentur B. & S., handelnd als Gesellschaft bürgerlichen Rechts” tätig gewesen, steht bereits entgegen, dass eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts grundsätzlich nicht als Handelsgesellschaft tätig werden kann und damit auch der Kläger nicht für diese angebliche Gesellschaft als Handelsvertreter tätig geworden sein kann. Letztlich kann dies dahinstehen.
b) Der Beklagte hat nämlich weiter vorgetragen, die sog. „Handelsagentur B.& S.” sei zum 31.12.1997 aufgelöst worden. Ab dem 1.1.1998 habe S. eine Handelsagentur für die Betreuung der PLZ-Gebiete in Süddeutschland gegründet. Der Beklagte habe zum 1.1.1998 die Handelsagentur B. gegründet, die für die PLZ-Gebiete im Norden der Bundesrepublik Deutschland zuständig gewesen sei. Ende des Jahres 1997 seien sämtliche Vertreter auf die Auflösung der Handelsagentur hingewiesen worden. Die Vertragsverhältnisse seien beendet worden. Die Handelsvertreter, die bisher in den PLZ-Gebieten Süddeutschlands tätig gewesen seien, führten ihre weitere Tätigkeit ab dem 1.1.1998 als Untervertreter der Handelsagentur S. aus. Die Handelsvertreter, die vor dem 1.1.1998 die PLZ-Gebiete Norddeutschlands betreut hätten, verrichteten ab dem 1.1.1998 ihre Tätigkeit für die Handelsagentur B.
Da der Beklagte nicht überprüfbar darlegt, in welcher Form der Handelsvertretervertrag zwischen dem Kläger und der sog. Handelsagentur B. und S. beendet worden sein soll, insbesondere an den Kläger ein Ausgleich für die von ihm geworbenen Neukunden gezahlt worden ist, versteht der Senat den Vortrag des Beklagten dahin, dass er den zwischen der Handelsagentur B. und S. sowie dem Kläger geschlossenen Handelsvertretervertrag im Wege der Vertragsübernahme, welche in der Form der Übertragung des gesamten Schuldverhältnisses ohne weiteres möglich ist (vgl. BGHZ 95, 94), übernommen hat mit der Folge, dass es nach der Auflösung der Agentur nicht zu einem Ende des Handelsvertretervertrages mit dem Kläger gekommen ist. Damit ist der Beklagte dem Kläger auch aus den von ihm in der Zeit vom 1.5.1995 bis 31.12.1997 vermittelten Geschäften verpflichtet. Diesem Verständnis des Beklagtenvortrags durch den Senat ist der Beklagte in der Senatsverhandlung nicht entgegengetreten.
2. Der Kläger hat Warenumsätze i.H.v. 50.501,47 DM vermittelt, für die ihm der Beklagte Provision noch nicht gezahlt hat.
Die Umsätze sind durch die als Anl. 7 zum Schriftsatz vom 22.12.1999 überreichten Kopien der einzelnen Aufträge urkundlich be...