Leitsatz (amtlich)
Eine erst nach Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses (hier: ein Jahr nach Vertragsende) erfolgte Betriebseinstellung kann Auswirkungen auf den Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters nur haben, wenn sie bereits bei Vertragsende mit hinreichender Sicherheit absehbar war. An der erforderlichen Absehbarkeit fehlt es, wenn über eine Betriebseinstellung lediglich unternehmensintern beraten, vielleicht auch beschlossen wird, diese Absicht oder dieser Beschluss aber nach außen geheim bleibt.
Verfahrensgang
LG Krefeld (Urteil vom 18.02.2003; Aktenzeichen 7 O 85/02) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird - unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels - das am 18.2.2003 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des LG Krefeld teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 24.239,65 Euro mit Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 6.6.2002 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Dem Kläger werden die durch die Anrufung des unzuständigen Arbeitsgerichts entstandenen Mehrkosten auferlegt. Von den übrigen Kosten des ersten Rechtszuges haben der Kläger 8 % und die Beklagte 92 % zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des auf Grund dieses Urteils jeweils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Sicherheitsleistungen können auch durch Bürgschaft eines der Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht unterliegenden Kreditinstituts erbracht werden.
Tatbestand
Der Kläger war auf Grund Handelsvertretervertrages vom 9.11.1989 (Bl. 126-128 GA) seit Januar 1990 als Handelsvertreter für die Beklagte, welche mit Krawatten, Schleifen und Schals handelte, tätig. Zum 31.12.2001 kündigte der am 12.2.1937 geborene und zu 30 % schwerbehinderte Kläger den Handelsvertretervertrag und setzte sich zur Ruhe.
Mit Schreiben vom 7.1.2002 meldete er einen Ausgleichsanspruch bei der Beklagten an.
Gegenüber diesem Anspruch wendet die Beklagte ein, sie habe ihren Betrieb zum Ende des Jahres 2002 eingestellt. Im Jahr 2002 machte sie nach ihren - bestrittenenen - Angaben nur noch in geringem Umfang Geschäfte mit vom Kläger geworbenen Kunden und erzielte dabei Umsätze i.H.v. 3.750 Euro.
Neben der Beklagten existiert die Gebrüder H. GmbH & Co. K., deren persönlich haftende Gesellschafterin ebenfalls - wie bei der Beklagten - die L.-K. Beteiligungsgesellschaft mbH ist. Die Gebrüder H. GmbH & Co. K., welche sich derzeit ebenfalls in Liquidation befindet, war Inhaberin der Marke "M.-K.". Diese Marke wurde nach Angaben der Beklagten von der Gebrüder H. GmbH & Co. K. für 7.000 Euro an eine ehemalige Mitarbeiterin der Beklagten verkauft, die nunmehr Geschäftsführerin der neu gegründeten M.-K. GmbH ist.
Mit seiner im Mai 2002 zunächst bei dem Arbeitsgericht Krefeld anhängig gemachten Klage hat der Kläger beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 26.244,61 Euro mit 4 % Rechtshängigkeitszinsen zu verurteilen. Er hat vorgetragen:
Mit dem Anmeldungsschreiben vom 7.1.2002 habe er die Jahresprovision der letzten fünf Jahre aufgeführt. Es habe sich ein durchschnittlicher Jahresumsatz von 295.000 DM ergeben. Die Provision habe bei 15 % gelegen. Zuzüglich Mehrwertsteuer habe sich die Jahresprovision auf 51.300 DM oder 26.244,61 Euro belaufen. Die Beklagte habe den Ausgleichsanspruch zurückgewiesen mit der Erklärung, sie beabsichtigte das Unternehmen im laufenden Geschäftsjahr zu liquidieren. Bis zum Zeitpunkt der Klageerhebung sei eine Liquidation des Unternehmens indes nicht erfolgt. Das Unternehmen bestehe weiter und führe weiter Geschäfte mit seinem Kundenstamm.
Die Beklagte habe den von ihm geworbenen Kundenstamm übernommen und daraus einen erheblichen Vorteil gehabt. Im Jahre 2000 habe sie seinen Kunden mitgeteilt, ein Nachfolger für ihn sei noch nicht gefunden, weswegen zunächst Bestellungen auf Auswahl hätten erfolgen sollen. Ein bevorstehendes Ende der Geschäftsbeziehungen sei keinem der Kunden mitgeteilt worden. Er habe auf Wunsch der Beklagten selbst einen Nachfolger vorgeschlagen. Die Beklagte habe diesen nicht akzeptiert. Tatsächlich habe die Beklagte im Jahre 2001 mit seinem Kundenstamm Geschäfte getätigt. Zum Jahresende 2002 solle die Beklagte liquidiert werden. Das Unternehmen werde dann jedoch unter dem Namen "Meister Krawatte" fortgeführt.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und vorgetragen:
Der Ausgleichsanspruch sei ausgeschlossen, weil der Kläger selbst gekündigt habe. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen für einen Ausgleichsanspruch des Klägers nicht vor. Sie habe aus der Tätigkeit des Klägers keine erhebliche Vorteile mehr. Der Ausgleichsanspruch scheitere an ihrer am Endes des Jahres 2002 bevorstehenden Liquidation. Nach Liquidati...