Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Wertung, ob eine Versorgungszusage einem durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwand ausgesetzt ist, ist auch das Verhalten des Versprechenden nach Bekanntwerden des pflichtwidrigen Verhaltens des Versorgungsempfängers zu berücksichtigen.
2. Zur Frage, wann eine Aufrechnung wegen Rechtsmissbrauchs ausgeschlossen ist.
3. Dem Interesse des Versorgungsempfängers am Bezug laufender Einnahmen zum Lebensunterhalt wird durch § 394 Satz 1 BGB Rechnung getragen. Dem dort in Verbindung mit den §§ 850 Abs. 2, 850c, e ZPO zum Ausdruck kommenden Sozialschutz können Billigkeits- und Redlichkeitserwägungen entgegenstehen. Für die Annahme, dass die Berufung auf ein Aufrechnungsverbot treuwidrig ist, bedarf es weder einer unerlaubten Handlung noch der Grenzziehung zwischen grob fahrlässigem und bedingt vorsätzlichem Handeln.
4. Dem Sinn und Zweck des § 1587i BGB im Rahmen des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs und dem durch § 394 BGB zu gewährleistenden Sozialschutz entspricht es, abgetretene Ruhegeldansprüche in dem Umfang, in dem sie einem Einwand nach § 406 BGB ausgesetzt sind, wie eigene Ruhegeldansprüche zu behandeln.
Normenkette
BGB §§ 242, 394, 406, 1587i
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Urteil vom 15.02.2005; Aktenzeichen 10 O 180/02) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 15.2.2005 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des LG Düsseldorf unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Jede Partei kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des für die jeweils andere Partei aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Zum Sachverhalt wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit folgender Korrektur Bezug genommen. Der Ehemann der Klägerin hat dieser mit der von ihr angenommenen Abtretungserklärung vom 31.7.2000 seine Ruhegeldansprüche gegen die Beklagte nicht zur Hälfte, sondern "i.H.v. monatlich 7.500 DM ab dem 1.8.2000" zur Einziehung abgetreten (Bl. 116 GA).
Anlass für die von der Klägerin begehrte Tatbestandsergänzung besteht nicht.
Mit ihrer Berufung hat die Klägerin ihr Klagebegehren zunächst in erweitertem Umfang, nämlich bereits für die Zeit ab 1.3.2000 und mit monatlichen Beträgen zwischen 4.729,10 EUR und 4.980,69 EUR, weiterverfolgt. Dabei ist ihr ein offensichtlicher Rechenfehler unterlaufen, indem sie den Zeitraum vom 1.3.2000 bis zum 31.12.2002 mit 20 (statt richtig mit 34) Monaten bemessen hat. Im Anschluss an den Senatstermin vom 15.12.2005 und den Senatsbeschluss vom 19.12.2005 hat die Klägerin ihre Hauptforderung wieder auf monatliche Beträge i.H.v. 3.834,69 EUR für die Zeit ab 1.8.2000 beschränkt.
Die Klägerin macht geltend:
Das LG habe es versäumt, die an den Anfang seiner Prüfung gehörende Gegenüberstellung der in der Vergangenheit erworbenen Verdienste ihres früheren Ehemannes (im Folgenden: Ehemann) mit der Pflichtverletzung und deren Folgen vorzunehmen. Zur Frage der Entwertung der Betriebstreue hätte das LG nähere Feststellungen zu den tatsächlichen Auswirkungen der Pflichtverletzung des Ehemannes treffen müssen. Während der Vorstandstätigkeit des Ehemannes sei die Beklagte so nachhaltig erstarkt, dass sie finanziell zu einem beispiellosen Erfolg gelangt sei. Zugleich verweist die Klägerin auf die diesbezüglichen Feststellungen im Strafurteil. Weiter habe das LG ihr Vorbringen übergangen, dass das Geständnis des Ehemannes im Strafverfahren aus rein strafrechtlich taktischen Überlegungen erfolgt sei.
Zu berücksichtigen sei, dass der damalige Vorstandsvorsitzende Dr. J. mit deng esamten über die G. BV und H. GmbH abgewickelten Geschäften mit der L. Ltd. bis ins Detail vertraut gewesen sei.
Ferner habe gar keine Notwendigkeit bestanden, die wertlose Darlehensforderung der G. BV gegen die L. Ltd. zu kaufen. Den erst durch den Kauf verursachten Schaden müsste sich die Beklagte daher selbst zurechnen lassen.
Die Hilfsaufrechnung der Beklagten verstoße gegen Treu und Glauben, weil sie sich in dem Vertrag vom 17.12.1990 die Aufrechnung nicht vorbehalten habe. Bei Abschluss dieses Vertrages sei der Ehemann davon ausgegangen, eine Regelung zu treffen, die sämtliche bekannten wechselseitigen Ansprüche bereinige. Die Hilfsaufrechnung komme dem Widerruf der Versorgungszusage gleich und sei deshalb nur unter den Voraussetzungen eines Widerrufs zulässig.
Im Übrigen sei der der Beklagten entstandene Schaden im Rahmen des mit den übrigen Vorständen geschlossenen Vergleichs vom 14.12.1998 durch Anrechnung auf einen Kaufpreis für die Anteile des Familienstamms Dr. K. ausgeglichen worden.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 256.924,23 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über ...