Leitsatz (amtlich)
Es ist für den Haftungsmaßstab des § 435 HGB nicht ausreichend, dem Fahrer des Frachtführers die Gefahrenlage erst bei der Verladung des Transportgutes zu verdeutlichen, weil der Frachtführer dann nicht mehr reagieren kann.
Der Hinweis - spiegelbildlich zum Mitverschulden - hat so rechtzeitig erfolgen, dass der Frachtführer noch im normalen Geschäftsablauf eine Entscheidung treffen kann, ob er angesichts des Wertes des Transportgutes den Frachtvertrag überhaupt ausführen will und die notwendigen besonderen Sicherungsmaßnahmen ergreifen kann.
Verfahrensgang
LG Duisburg (Aktenzeichen 22 O 92/15) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Duisburg vom 11.04.2017 abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin macht aus abgetretenem bzw. übergegangenem Recht als Transportversicherer der S. AG Ansprüche aus einem Transportschaden vom 12./13.11.2012 geltend. Die Versicherungsnehmerin der Klägerin - als Hauptfrachtführerin für die Firma H. - beauftragte die Beklagte gemäß schriftlichem Transportauftrag vom 09.11.2012, wegen dessen Inhalt auf die Anl. K8/B1 Bezug genommen wird und in dem in der Spalte "Sendungsdaten" eingetragen gewesen ist "13,5 LDM", mit einem Transport vom Lager der Firma H. bei der Firma K. in D. zu ihrer (der S. AG) Niederlassung nach L. Auf dem dem Lkw-Fahrer bei Verladung ausgehändigten Frachtbrief ist vermerkt: "Theft-endangered goods 479 boxes Computer Equipment".
In der Nacht vom 12. auf den 13.11.2012 wurden aus dem Planen-Lkw der Beklagten, den ihr Fahrer unweit von dem Lager an einem-Autohof in D. geparkt hatte, 15 Paletten des Transportgutes gestohlen.
Die Klägerin hat behauptet, der Gesamtwert des entwendeten Transportguts habe 422.945,- EUR betragen, wovon sie entsprechend der von ihr vorgenommenen Regulierung 250.000,- US$ geltend macht.
Die Beklagte hat die Verjährungseinrede erhoben und behauptet, das von der Klägerin als Anlage K 12 vorgelegte Schreiben vom 13.11.2012 wie auch die als Anlage K 17 vorgelegte E-Mail vom 13.11.2012 habe sie nicht erhalten.
Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge gemäß § 540 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Das Landgericht hat über den Umfang des bei dem Diebstahl abhanden gekommenen Transportguts Beweis erhoben und die Beklagte zur Zahlung von 250.000,- US$ nebst Zinsen verurteilt. Zur Begründung hat das Erstgericht ausgeführt, dass die Beklagte für den unstreitigen Verlust eines Teils des Transportguts in ihrem Obhutsgewahrsam nach §§ 425, 429, 435 HGB hafte. Aus den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen ergebe sich in Verbindung mit den Bekundungen der Zeugen W. und Da., dass Tonerkartuschen jedenfalls im Wert von 250.000,- US$ während des Transports gestohlen worden seien. Es liege fern, dass in einem solchen Umfang Fehler bei der Ermittlung der entwendeten Waren geschehen seien, dass dieser Betrag unterschritten werde. Die Beklagte könne sich nicht auf Haftungshöchstgrenzen nach § 431 HGB berufen, weil sie für ein qualifiziertes Verschulden nach § 435 HGB hafte. Aus dem Frachtbrief habe sich ergeben, dass Auftragsgegenstand besonders diebstahlsgefährdetes PC-Equipment gewesen sei. Dies sei auch dem Fahrer der Beklagten bewusst gewesen, weil er sich ausdrücklich im Hinblick auf die Überwachung des von ihm gewählten Parkplatzes erkundigt haben will. Daraus sei zu schließen, dass der Fahrer das Übernachten auf einem nicht überwachten Parkplatz selbst als sehr problematisch angesehen habe. Er habe gegen den gemäß Ziffer 20 der Allgemeinen Transportbedingungen der Versicherungsnehmerin der Klägerin vereinbarten Sicherheitsstandard verstoßen. Er hätte zumindest eine Weisung der Versicherungsnehmerin der Klägerin einholen müssen. Die Allgemeinen Transportbedingungen seien dem Transportauftrag unstreitig beigefügt gewesen. Sie seien durch Leistungsbewirkung zum Vertragsgegenstand geworden, ohne dass es einer ausdrücklichen Annahme durch eine Unterschrift links unten auf dem Auftrag und einem Rückfax bedurft hätte. Es könne nicht angenommen werden, dass es zur Geltung der Auftragsbedingungen einer ausdrücklichen Annahme bedurft hätte und die fehlende Unterschriftsleistung und Rücksendung per Fax als eine Ablehnung der Bedingungen zu verstehen gewesen sei. Mit dem Vortrag der Beklagten zu den Erkundigungen ihres Fahrers nach der Überwachung des Autohofes habe sie ihrer sekundären Darlegungslast nicht genügt. Die von der Beklagten zitierte Entscheidung des BGH vom 13.12.2012 - I ZR 236/11 - stehe der Annahme eines qu...