Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 27. Februar 2019 verkündete Urteil des Landgerichts Dortmund (8 O 19/18 (Kart)) in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 4. April 2019 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 2) verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr dadurch entstanden ist und/oder noch entstehen wird, dass diese mit Kündigungserklärung vom 20. März 2018 die Kündigung der (Liefer-)Verträge mit der Klägerin betreffend ...-Hintersitzlehnen zum 31. März 2019 erklärt hat und sodann über den 1. April 2019 hinaus die Erfüllung der (Liefer-)Verträge verweigert, d.h. von diesem Zeitpunkt bis zum Ende der Produktion ("EOP") sämtlicher X.-Fahrzeugmodelle gemäß Anlage 5 zum Antrag nicht mehr als 80% ihres eigenen Europabedarfs an ...-Hintersitzlehnen gemäß Teile-Nr. und Teile-Bezeichnung gemäß Anlage 4 zum Antrag abruft und abnimmt und/oder abrufen und abnehmen lässt.

2. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, der Klägerin monatlich Auskunft zu erteilen über sämtliche an Dritte erteilten Aufträge und/oder von Dritten erfolgten Lieferungen von und/oder selbst hergestellten Mengen an ...-Hintersitzlehnen gemäß Teile-Nr. und Teile-Bezeichnung gemäß Anlage 4 zum Antrag, aufgeschlüsselt nach Liefermengen und Lieferzeiten, für die Zeit vom 1. April 2019 bis zum Ende der Produktion ("EOP") sämtlicher X.-Fahrzeugmodelle gemäß Anlage 5 zum Antrag, wobei die Auskunftserteilung spätestens bis zum 25. des jeweiligen Folgemonats zu erfolgen hat.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Von den Kosten der I. Instanz und des Berufungsverfahrens tragen die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin diese selbst zu × und die Beklagte zu 2) zu 1/4, die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) die Klägerin und die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) diese selbst zu × und die Klägerin zu 1/4.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte zu 2) darf die Vollstreckung der monatlichen Auskunftsverpflichtung durch Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 2.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Im Übrigen darf der jeweilige Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Es bleibt bei der Streitwertfestsetzung I. Instanz. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird ebenfalls auf 12 Millionen EUR festgesetzt, wovon - auch betreffend die I. Instanz - 8 Millionen EUR auf die Anträge gegen die Beklagte zu 1) und 4 Millionen EUR auf die Anträge gegen die Beklagte zu 2) entfallen.

 

Gründe

I. Die Klägerin ist ein Automobilzulieferer und gehört zur Q.-Unternehmensgruppe. Die Beklagte zu 1) ist der größte europäische Automobilhersteller und einer der drei größten Automobilhersteller weltweit. Die Beklagte zu 2) ist ebenfalls Automobilherstellerin; ihre Anteile werden zu 99,5% von der Beklagten zu 1) gehalten. Die Klägerin (wie zuvor ihre Vorgängerinnen) hat die Beklagten sowie T. und T.1, zwei 100%ige Tochtergesellschaften der Beklagten zu 1), seit 1996 mit Hintersitzlehnen für deren unter den Marken W., W.1, W.2 und W.3 hergestellte Fahrzeugmodelle beliefert.

Die Beklagte zu 1) informierte die Klägerin und andere Anbieter im März 2008 über einen "Konzeptwettbewerb ..., dessen Ziel die Entwicklung von Hintersitzlehnen in Gestalt baugleicher und für eine Vielzahl von Fahrzeugmodellen verwendbarer Module war. Nach dem Inhalt der Wettbewerbs-Präsentation sollten die zu entwickelnden Hintersitzlehnen für Fahrzeugmodelle der Marken W., W.1, W.2 und W.3 passen, so dass ein Volumenszenario von ... Millionen Stück pro Jahr allein für den europäischen Markt erwartet wurde. Die Beklagte zu 1) und die anderen Lieferanten sollten die jeweiligen Aufwendungen aus der Wettbewerbsteilnahme selbst tragen. Es war beabsichtigt, den Wettbewerbssieger "mit einem Entwicklungsauftrag zu betrauen und ihm eine Lieferquote von "x% (bis zu 100%) zu gewähren". Im Fall einer Lieferquote für die Serienproduktion sollte der Entwicklungsaufwand durch Umlegung auf den Teilepreis vergütet werden (Anlage W 1).

Die Klägerin präsentierte ihr Konzept am 2. Juli 2008 und begann Verhandlungen mit der Beklagten zu 1) über eine Lieferbeziehung. Am 14. Mai 2009 vereinbarten die Klägerin und die Beklagte zu 1) die Übertragung der Rechte an dem Konzept "für die Fahrzeuge des Y.-Konzerns" auf die Beklagte zu 1) und im Gegenzug die Nominierung der Klägerin für "100% der Stanzteile und für 50% der ZSB-Umfänge" (ZSB = Zusammenbau); "Die Belieferung erfolgt gemäß den Bedingungen der Anfrage sowie des noch zu erteilenden Nomination Letters" (Anlage W 3).

Mit Nomination Letter vom 28. Mai...

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