Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Urteil vom 27.03.2014) |
Tenor
Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das Urteil der 7. Kammer für Handelssachen des LG Düsseldorf vom 27.3.2014 abgeändert und wird der Verfügungsantrag vom 8.1.2014 zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 100.000 EUR
Gründe
I. Die Antragstellerin ist Rechtsträgerin der rechtlich unselbständigen Verlagshäuser ihrer Verlagsgruppe. Zu ihnen zählen der K. Verlag und der K. T. Verlag. In ersterem sind die Hardcover-Ausgaben, in letzterem die Taschenbuch-Ausgaben und die elektronischen Ausgaben von vier historischen Romanen zum erdachten Schicksal einer am Anfang des 15. Jahrhunderts im deutschen Südwesten umherziehenden Prostituierten erschienen. Die vier Werke, die ein Ehepaar zum Autor haben, sind unter dem Pseudonym "Iny Lorentz" mit den Titeln "Die Wanderhure", "Die Rache der Wanderhure", "Das Vermächtnis der Wanderhure" und "Die Tochter der Wanderhure" erschienen. Sie sind allein schon in Deutschland Bestseller und haben hier Millionenauflagen erlebt. Hinzugetreten sind im Inland ein erfolgreiches Hörbuch und eine Fernsehverfilmung, die ebenfalls ein Millionenpublikum hatte. Nach Kritiken, die die Antragstellerin selbst vorgelegt hat, werden ihre "Millionen-Seller" "als Schund verachtet, aber verkauft" und "heizen" sie "alle paar Seiten die Spannung mit erotischen Szenen an".
Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz für die genannten Titel gegenüber einem Buch des "Slam Poet" J. F. - einer Sammlung von Einzelbeiträgen - das die Antragsgegnerin unter dem Titel "Die schönsten Wanderwege der Wanderhure" mit dem Zusatz "Kein historischer Roman" nebst einer CD verlegt hat. Der Buchtitel ist der des ersten Beitrags, welcher sich in ironischer Weise mit der Themensuche von Schriftstellern, der Bedeutung des Titels für den Erfolg eines Werkes und dann der Schaffung von Zusatzartikeln zum Buch befasst, wobei er gerade auch das Potential des Themas "Wanderhure" erörtert. Der Beitrag enthält im letzten Drittel eine Gegenüberstellung, wie die Romanreihe "Shades of Grey" - zuvor als "Sadomaso-Klamotte" bezeichnet - in wirtschaftlicher Hinsicht bereits genutzt werde, bis hin zum Absatz von Sex-Artikeln, und welche ungenutzten Möglichkeiten in wirtschaftlicher Hinsicht die "Wanderhure" noch biete. Das Geschehen wird als "aggressives Marketing" bezeichnet, "das auch noch kreativ ist. Amerika halt. Beziehungsweise Österreich" - in einem Wiener Laden waren "Shades of Grey"-Artikel zu sehen - und es wird beklagt: "In Deutschland fehlt mir das. Bei der Wanderhure beispielsweise." Sodann wird über mögliche Ratgeberliteratur zum Thema "Wanderhure" spekuliert mit Vorschlägen kurioser Titel, darunter - als "Liebling" des Autors bezeichnet - "Die schönsten Wanderwege der Wanderhure". Es folgen abseitige Überlegungen zur Nutzung von Funktionskleidung der Wanderhure, eines Sex-Artikels mit Zweitnutzen beim Wandern und einer TV-Reportage über Zuhälter, die Wanderhuren wegen ihres Anteils hinterherlaufen, sowie die Würdigung: "Das wäre witzig, das hätte Charme. So kann man Interesse wecken, eben neue Wege gehen."
Die Antragstellerin hat ihr Unterlassungsbegehren auf § 15 Abs. 4 MarkenG gestützt und Titelschutz für ihre Buchreihe in Anspruch genommen. Die Titel der Reihe böten keine bloße Inhaltsbeschreibung, sondern seien originär kennzeichnungskräftig und hätten durch intensive Nutzung eine überragende Kennzeichnungskraft erreicht. Sie wirkten nicht nur inhaltsbezogenen, sondern auch herkunftsbezogen.
Die Antragstellerin hat in erster Linie den erweiterten Schutz für bekannte Titel gegen Ausnutzung oder Beeinträchtigung ihrer Unterscheidungskraft und Wertschätzung nach Abs. 3 der Vorschrift in Anspruch genommen, hilfsweise den Schutz gegen Verwechslungen nach Abs. 2. Der Titel der Antragsgegnerin werde für das Buch nebst CD ebenfalls als Kennzeichen benutzt. Die Antragsgegnerin habe einen Fortsetzungstitel schaffen wollen, der den Titeln der "Wanderhuren"-Reihe nicht nur im effektvollen und Aufmerksamkeit erregenden Hauptbestandteil "Wanderhure" gleich sei, sondern auch ähnlich in Satzstruktur und Satzmelodie. Damit bestehe bei hoher Kennzeichnungskraft, Werknähe und Titelähnlichkeit schon eine Verwechslungsgefahr nach § 15 Abs. 2. Es liege vor allem aber eine Ausnutzung der Wertschätzung ihrer Romanreihe für die Vermarktung des Buches der Antragsgegnerin vor. Die Antragsgegnerin profitiere vom hohen Werbewert ihrer, der Antragstellerin, Titel. Der gute Ruf der Reihe werde auf das streitgegenständliche Werk übertragen. Mit dem Zusatz "Kein historischer Roman" grenze sich die Antragsgegnerin nicht wirksam von den Büchern der Reihe ab. Zudem beeinträchtige die Antragsgegnerin die Wertschätzung der Reihe durch einen "inkompatiblen Zweitgebrauch", nämlich für eine Karikatur in respektloser Weise. Die Titel der Reie würden der Lächerlichkeit preisgegeben. Der angegriffene Titel rechtfertige sic...