Entscheidungsstichwort (Thema)

"Ich bin dann mal weg"

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei einem Buchtitel kann regelmäßig davon ausgegangen werden, dass der Verlag Inhaber des Titelrechts und zur selbständigen Geltendmachung des Anspruchs aus § 15 Abs. 4 MarkenG berechtigt ist. Bei der Prüfung des Verfügungsgrundes im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes kommt es daher auf die Kenntnis des Autors von der beanstandeten Verwendung des Titels nicht an.

2. Ein bekannter Titel i.S.d. § 15 Abs. 3 MarkenG ist anzunehmen, wenn er einem bedeutenden Teil des angesprochenen inländischen Publikums bekannt ist. Das Erreichen einer bestimmten Quote ist nicht erforderlich; daher ist es auch nicht erforderlich, exakte Zahlen mittels Demoskopie zu ermitteln und anzugeben. Die Tatsachen, aus denen sich die Bekanntheit des Titels ergibt, können allgemein geläufig und deshalb offenkundig i.S.d. § 291 ZPO sein.

3. Der Schutz eines bekannten Titels setzt nicht voraus, dass die beanstandete Bezeichnung titelmäßig im engeren Sinn gebraucht wird. Es genügt, wenn die angesprochenen Verkehrskreise sie gedanklich mit dem bekannten Titel verknüpfen.

4. Die Unterscheidungskraft eines bekannten Titels wird nur durch solche Verwendungen ähnlicher Bezeichnungen beeinträchtigt, bei denen diese entweder zeichenmäßig - etwa als Werktitel - verwendet wird oder zumindest in einer Weise, dass eine gedankliche Verknüpfung mit dem bekannten Titel hergestellt wird.

5. Bei der Verwendung des bekannten Titels eines Reiseberichts (hier: über eine Wanderung auf dem Jakobsweg) zur Bewerbung von Reiseleistungen liegt die Annahme einer gedanklichen Verknüpfung mit dem durch den Titel bezeichneten Buch nahe.

 

Normenkette

MarkenG § 15 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 30.04.2014; Aktenzeichen 84 O 63/14)

 

Tenor

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 30.4.2014 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des LG Köln - 84 O 63/14 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Antragsgegnerin.

 

Gründe

(anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen gem. § 540 Abs. 1 ZPO)

I. Die Antragstellerin ist Verlegerin des in Deutschland im Jahr 2006 erschienenen Buches "Ich bin dann mal weg", in dem der Autor Hape Kerkeling seine Erlebnisse während einer Pilgerreise auf dem Jakobsweg im Jahr 2001 beschreibt. Die Antragsgegnerin ist ein im Jahr 2005 gegründetes Touristik-Unternehmen, das u.a. die Reiseportale "weg. de" und "ferien. de" betreibt. Sie ist eine hundertprozentige Tochter der Q. AG. Unter "weg. de" bietet die Antragsgegnerin nach ihrem Vortrag eines der größten Angebote an Reisen auf dem europäischen Markt an.

Seit dem 27.12.2013 bewirbt die Antragsgegnerin ihre Leistungen mit dem Slogan "Ich bin dann mal weg. de" in Form von TV-Spots und seit dem 11.1.2014 durch bundesweite Plakatwerbung.

Die Antragstellerin hat behauptet, bei dem Buch "Ich bin dann mal weg" handele es sich um das erfolgreichste deutsche Sachbuch der Nachkriegszeit. Der Bestseller sei bisher in einer Hardcover-Gesamtauflage von 3.193.508 Stück, einer Taschenbuchauflage von 742.128 Stück sowie einer Taschenbuchsonderausgabe mit einer Auflage von 33.822 Stück abgesetzt worden. Die von der Antragstellerin lizenzierte Hörbuchausgabe mit demselben Titel sei bis Mitte 2013 in einer Auflage von etwa 620.000 Stück verkauft worden, wozu noch etwa 55.000 Downloads im gleichen Zeitraum kämen. Das Werk "Ich bin dann mal weg" sei über 100 Wochen auf dem ersten Plätzen der Bestsellerlisten sowie auf Platz eins der "Bestseller des Jahrzehnts" Kategorie Sachbücher des Magazins "Spiegel" gewesen.

Die Antragstellerin hat in der Verwendung des Slogans der Antragsgegnerin eine unzulässige Ausbeutung des Rufs ihres bekannten Titels gesehen und mit Schriftsatz vom 20.2.2014 (Eingang bei Gericht per Telefax am gleichen Tag) den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt, die die 31. Zivilkammer des LG Köln nach Beschränkung des Antrags auf die konkrete Verletzungsform mit Beschluss vom 7.3.2014 (31 O 70/14) erlassen hat. Durch die einstweilige Verfügung ist der Antragsgegnerin die Benutzung der Bezeichnung "Ich bin dann mal weg" im geschäftlichen Verkehr untersagt worden, wenn dies wie auf ihrer Internetseite www.weg.de

((Abb. entfernt))

oder auf der Seite www.google.de

((Abb. entfernt))

und/oder auf Plakatwerbung

((Abb. entfernt))

erfolge.

Gegen diese einstweilige Verfügung hat die Antragsgegnerin Widerspruch eingelegt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, es fehle an der Dringlichkeit, da davon auszugehen sei, dass entscheidungsbefugte Mitarbeiter der Antragstellerin von der Werbekampagne Kenntnis genommen hätten. Die einstweilige Verfügung sei außerdem nicht innerhalb der Vollziehungsfrist zugestellt worden. In der Sache hat die Antragsgegnerin die Ansicht vertreten, der Titel des Buches sei nicht schutzfähig und im Übrigen jedenfalls im Zeitpunkt der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs auch nicht mehr bekannt i.S.d. § 15 Abs. 3 MarkenG. Ferner sei nicht die Antragstellerin aktivlegitimi...

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