Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmissbräuchliche Berufung auf offenkundig fehlerhafte Vergleichsprotokollierung
Leitsatz (amtlich)
Die Berufung auf eine auf einem offenkundigen redaktionellen Versehen beruhende Protokollierung eines gerichtlichen Vergleichs ist als unzulässige Rechtsausübung i.S.d. § 242 BGB zu bewerten, die eine Vollstreckungsgegenklage nicht zu begründen vermag, wenn der protokollierten Erklärung erkennbar jeder Rechtsgrund fehlt.
Normenkette
ZPO §§ 767, 794 Abs. 1 Nr. 1; BGB § 242
Verfahrensgang
AG Rheinberg (Urteil vom 21.09.2006) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des AG Rheinberg vom 21.9.2006 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Streitwert für die Berufungsinstanz: 4.462 EUR.
Gründe
I. Die Parteien sind geschiedene Eheleute.
Unter dem 13.11.2003 schlossen die Parteien im Verfahren 16 F 117/03 vor dem AG Rheinberg einen Vergleich, in dem es u.a. heißt:
"1. Der Beklagte zahlt an die Klägerin ab dem 1.11.2003 einen monatlichen Trennungsunterhalt von 210 EUR.
2. Der Beklagte schuldet der Klägerin für die Zeit vom 1.11.2002 bis zum 31.10.2003 rückständigen Trennungsunterhalt i.H.v. insgesamt 4.462 EUR. Dieser Betrag wird fällig nach der Veräußerung der gemeinsamen Immobilie der Parteien."
In der Folge begehrte der Kläger in einem weiteren Verfahren vor dem AG Rheinberg (16 F 272/04) die Abänderung des Vergleichs vom 13.11.2003 betreffend den laufenden Unterhalt ab dem 1.6.2004. Am 17.11.2005 kam es - "auf Anraten des Gerichts" - zu einem Vergleichsabschluss wie folgt:
"1. Der Kläger zahlt zum Ausgleich sämtlicher streitiger Trennungsunterhaltsforderungen an die Beklagte 670 EUR, fällig am 1.1.2006.
Die vorstehende Zahlung ist nicht geschuldet, wenn sich herausstellen sollte, dass gemäß der Entgeltabrechnung Februar 2005 an die Beklagte im Rahmen der Unterhaltspfändung ein Betrag von 926,63 EUR ausgekehrt worden ist.
2. Die Beklagte verpflichtet sich, aus dem Vergleich über Trennungsunterhalt vom 13.11.2003 in dem Verfahren 16 F 117/03 keine Rechte mehr herzuleiten."
Den Streitwert für den Rechtsstreit und den Vergleich hat das AG im genannten Termin auf (210 × 12) 2.520 EUR festgesetzt.
In der beigezogenen Akte 16 F 272/04 wurde der titulierte Unterhaltsrückstand von 4.462 EUR für die Zeit von November 2002 bis Oktober 2003 nicht thematisiert.
Der Kläger wurde im Übrigen im ersten Verfahren durch Rechtsanwalt Ha., im zweiten Verfahren durch Rechtsanwalt St. und wird im jetzigen Verfahren durch Rechtsanwalt L. vertreten; auf Seiten der Beklagten war durchgängig Rechtsanwalt Ho. tätig.
Der Verkauf des gemeinsamen Hauses fand im Februar 2006 statt.
Die Beklagte hat am 24.5.2006 einen Vollstreckungsversuch betreffend den rückständigen Trennungsunterhalt von 4.462 EUR unternommen. Dagegen richtet sich die nunmehr vom Kläger erhobene Vollstreckungsgegenklage.
Das AG hat die Klage - durch den Richter, der auch beide vorhergehenden Verfahren bearbeitet hatte - abgewiesen. Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlichen Antrag auf Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich vom 13.11.2003 weiter. Er meint, dass der Vergleich vom 17.11.2005 eindeutig gefasst und einer Auslegung nicht zugänglich sei. Es wäre im Übrigen ein leichtes gewesen, eine gesonderte Regelung zum Trennungsunterhaltsrückstand in den Vergleich vom 17.11.2005 aufzunehmen, wenn dies von den Parteien beabsichtigt gewesen sei. Er könne sich nicht mehr erinnern, was in der Sitzung vom 17.11.2005 Gegenstand der Erörterung gewesen sei.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Ein Anlass, auf den Rückstand zu verzichten, habe für sie nicht bestanden.
II. Die Berufung hat keinen Erfolg.
Die Vollstreckungsgegenklage richtet sich nach § 767 ZPO.
Ein Prozessvergleich ist für die Vollstreckung strikt nach dem protokollierten Inhalt auszulegen. Daher tragen Anwälte und Gericht "die Bürde", einen gerichtlichen Vergleich besonders präzise zu formulieren (Münchener Kommentar, 2000, § 794 Rz. 90, 92). Vollstreckbar ist das, was sich unmittelbar aus dem Titel ergibt; für die Auslegung darf auf andere tatsächliche oder rechtliche Umstände (mit Ausnahme gesetzlicher Vorschriften) nicht zurückgegriffen werden (Zöller, ZPO, 26. Aufl., § 794 Rz. 14a; OLG Koblenz in JurBüro 2002, 551), auch nicht auf die Prozessakten, die zuvor gestellten Anträge und ihre Begründung, da anders als bei einem streitigen Urteil, das einen Tatbestand enthält, bei einem Vergleich außerhalb seines Wortlautes liegende Umstände keinen hinreichend sicheren Schluss darauf zulassen, welche Ansprüche die Parteien einvernehmlich erledigen wollten (OLG Frankfurt in Versicherungsrecht 1995, 1061; OLG Stuttgart in Rechtspfleger 1997, 446).
Danach erscheint die Sach- und Rechtslage vorliegend zunächst eindeutig: Da in Ziff. 2 des Vergleichs vom 17.11.2005 keine Einschränkung betreffend den Trennungsunterhaltsrückstand erfolgt ist, kann die Klägerin auch hinsichtlich des R...