Leitsatz (amtlich)
1. Zu der Berechnung des Verdienstausfallschadens bei unfallbedingtem Verlust der beruflichen Fähigkeit als Busfahrer zu arbeiten.
2. Eine verbleibende MdE von 20 % bedeutet im Umkehrschluss keine Arbeitsfähigkeit von 80 %. Es kommt vielmehr darauf an, was der Geschädigte mit seinen besonderen Beeinträchtigungen und eingeschränkten Fähigkeiten auf dem ihm zumutbar erreichbaren Arbeitsmarkt noch zu leisten in der Lage ist.
3. Zur Erfüllung der Schadensminderungspflicht kann es insoweit genügen, wenn der Geschädigte eine einfache Bürotätigkeit von
15 Wochenstunden ausübt und zudem vermehrt im Haushalt mitarbeitet. Der erzielte Vorteil ist von dem Schadensbetrag abzuziehen.
Normenkette
BGB §§ 254, 843 Abs. 1; StVG § 11 S. 1; ZPO § 287
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Berufungen des Klägers und der Beklagten wird - unter Zurückweisung der jeweiligen Berufungen im Übrigen - das am 11.03.2020 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal - 3 O 86/18 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 40.851,23 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.04.2018 sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.706,94 Euro zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen der Kläger zu 57 % und die Beklagte zu 43 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. pp.
II. Die Berufung des Klägers ist überwiegend begründet; ihm steht ein weitergehender Ersatz seines Verdienstausfallschadens (28.550,18 Euro) sowie ein höheres Schmerzensgeld (11.500,00 Euro) zu. Die Berufung der Beklagten führt hingegen lediglich zu einer Reduzierung des zugesprochenen Fahrtkostenersatzes (auf 801,05 Euro). Es ist davon auszugehen, dass der Kläger auch im Falle weitergehender Bewerbungen wegen seines Alters, seines Ausbildungstandes und seiner unfallbedingten Beeinträchtigungen keine wesentlich andere oder besser bezahlte Arbeitstätigkeit als die gegenwärtig ausgeübte Bürotätigkeit in einem Umfang von 15 Wochenstunden hätte finden können. Ein Schmerzensgeld steht dem Kläger in Höhe von 11.500,00 Euro zu.
Im Einzelnen:
1. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Ersatz seines Schadens zu, den er durch den unfallbedingten Verlust seiner Fähigkeit, als Busfahrer zu arbeiten, erlitten hat (§§ 11 StVG, 843 BGB). Grundsätzlich ist dem Kläger daher der insoweit entgangene Verdienst zu ersetzen, soweit er nicht von ihm zumutbar kompensiert werden konnte. Hierbei ist nicht feststellbar, dass der Kläger eine Arbeitsstelle hätte finden können, auf der er mehr als die gegenwärtig erzielte Vergütung für seine Bürotätigkeit verdient hätte. Es wirkt sich daher nicht aus, dass der Kläger seiner sekundären Darlegungslast hinsichtlich seiner Erwerbsbemühungen nicht hinreichend nachgekommen ist.
Grundsätzlich ist der Verletzte, der unfallbedingt in seinem alten Beruf nicht mehr oder nicht mehr voll arbeiten kann, verpflichtet, seine verbliebene Arbeitskraft in den Grenzen des Zumutbaren und Möglichen so nutzbringend wie möglich einzusetzen (Küppersbusch/Höher, Ersatzansprüche bei Personenschäden, II. Erwerbsschaden, Rn. 54, beck-online). Bei der Prüfung der Möglichkeit und der Zumutbarkeit einer gewinnbringenden Erwerbstätigkeit sind der Gesundheitszustand des Verletzten, Persönlichkeit, soziale Lage, bisheriger Lebenskreis, Begabung und Anlagen, Bildungsgang, Kenntnisse und Fähigkeiten, bisherige Erwerbsstellung, Alter, seelische und körperliche Anpassungsfähigkeit, Familie und Wohnort zu berücksichtigen. Der Verletzte muss sich aktiv um eine Stellung bemühen; die mangelnde Bereitschaft hierzu kann bereits ein Verstoß gegen § 254 Abs. 2 BGB sein. Seine Bemühungen um eine Arbeitsstelle hat der Geschädigte dazulegen und zu beweisen. Dies kann nur dann entfallen, wenn er nachweist, dass Bemühungen um einen neuen Arbeitsplatz von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen wären. Demgegenüber ist es Sache des Schädigers, zu behaupten und zu beweisen, dass der Verletzte entgegen seiner Darstellung in einem konkret bezeichneten Fall zumutbare Arbeit hätte aufnehmen können. Hat der Schädiger eine konkret zumutbare Arbeitsmöglichkeit nachgewiesen, ist es wiederum Sache des Verletzten, darzulegen und zu beweisen, warum er diese Möglichkeit nicht hat nutzen können (BGH, Urteil vom 23.01.1979 - VI ZR 103/78, juris Rn. 12 f.).
Insoweit beschränkt sich der Vortrag des Klägers auf die pauschale Behauptung, das Arbeitsamt habe ihn nicht vermitteln können und eigene Bemühungen seien entweder gescheitert oder wegen der für die angebotenen Stellen erforderlichen Com...