Leitsatz (amtlich)
1. Ob es sich bei einem Wärmelieferungsvertrag, insbesondere dessen Preisanpassungsklausel, um eine innerhalb der Grenzen der Vertragsfreiheit angesiedelte und daher nicht der Überprüfung unterliegende Individualvereinbarung handelt bzw. um den abgestimmten Einsatz eines Mustervertrages oder um eine der Kontrolle nach AGB-Gesichtspunkten oder nach § 24 Abs. 4 AVBWärmeV unterliegende Klausel, ist bei Eintritt eines anderen Wärmebeziehers anstelle des ursprünglichen Wärmebeziehers in dessen Wärmelieferungsvertrag mit dem Lieferanten im Verhältnis der Parteien zu überprüfen, die ursprünglich den Vertrag geschlossen haben.
2. Eine Vertragsübernahme kann nicht nur durch Abschluss eines "dreiseitigen Vertrages" erfolgen, sondern auch durch Vereinbarung des eintretenden Wärmebeziehers mit seinem Rechtsvorgänger, bei vorweggenommener Zustimmung des Lieferanten.
3. Dass das Fernwärmeversorgungsunternehmen für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte (allgemeine) Versorgungsbedingungen verwendet hat, hat der Verwendungsgegner bzw. dessen Rechtsnachfolger - auch nach Erschütterung eines durch die Art der Niederlegung des Vertragstextes für AGB erbrachten Anscheinsbeweises seitens des Verwenders - darzulegen und zu beweisen.
4. Die Absicht "mehrfacher Verwendung" eines vorformulierten Vertragsmusters im maßgeblichen Verhältnis zwischen dem ursprünglichen Wärmebezieher und dem Lieferanten steht der Annahme einer Individualvereinbarung nicht entgegen.
Normenkette
BGB § § 307 ff., § 414; AVBFernwärmeV § 24 Abs. 4; AVBFernwärmeV a.F. § 24 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Duisburg (Urteil vom 08.11.2012; Aktenzeichen 12 O 112/11) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 8.11.2012 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer - Einzelrichter - des LG Duisburg wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollsteckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung
In Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Streitwert für den Berufungsrechtszug: Bis 160.000 EUR.
Gründe
I. Am 21.5./7.6.2002 schlossen die GmbH in Düsseldorf (...) und die Beklagte, die schon seit 1997 hinsichtlich Wärmelieferungen in geschäftlichem Kontakt standen, - unter Bezug auf einen Rahmenvertrag vom 17.1.2002 - einen Vertrag (WLV), wonach die Beklagte "aus einer von ihr zu errichtenden Wärmeerzeugungsanlage" der ... Wärme für die Versorgung von zwei Gebäuden mit 36 Wohneinheiten liefern sollte. Nach § 3 Abs. 1 trat der WLV am 1.1.2002 in Kraft und endet am 31.12.2018. Nach § 4 WLV sollte die ... einen Wärmepreis gemäß der Anlage 4 zum Vertrag bezahlen. In § 5 WLV, um dessen Wirksamkeit die Parteien streiten, heißt es sinngemäß:
(1) Der Preis für die gelieferte und verbrauchte Wärme ist veränderlich.
(2) Der Grundpreis ändert sich nach Maßgabe der folgenden Regelungen ... 70 % fest, 30 % Anpassung nach folgender Formel (Ecklohn Monteur)
(3) ... jährlich
(4) ... nach 10 Jahren Anpassung an Zinsentwicklung
(5) ...
(6) Der Arbeitspreis wird fortlaufend dem Erdgasbezugspreis angepasst. Formel ...
In der Anlage 4 sind die voraussichtlichen Wärmekosten berechnet. Nach § 7 Abs. 4 WLV gelten ergänzend die AVBFernwärmeV vom 20.6.1980 i.d.F. der Bekanntmachung vom 19.1.1989.
Die Klägerin, eine Wohnungseigentümergemeinschaft, trat in der Folgezeit anstelle der ... in diesen Vertrag ein.
Während der Vertragslaufzeit passte die Beklagte ihre Preise mehrmals an; die Klägerin bezahlte die hierauf basierenden Rechnungen.
Mit Anwaltsschreiben vom 25.10.2011 beanstandete die Klägerin unter Hinweis auf Rechtsprechung des BGH, die Preisanpassungen/Preiserhöhungen seien zu Unrecht erfolgt, weil § 5 des Fernwärmelieferungsvertrages wegen Verstoßes gegen § 24 Abs. 3 AVBFernwärmeV a.F. bzw. § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV n.F. gem. § 134 BGB unwirksam sei, mit der Folge, dass der WLV auf der Basis der ursprünglich vereinbarten Preise fortbestehe. Ab der Jahresabrechnung vom 13.3.2008 könne sie, die Klägerin, deshalb Erstattung der auf Preiserhöhungen zurückzuführenden Zahlungsbeträge verlangen, aus den Jahren 2008 bis 2011 insgesamt 77.845,25 EUR; ferner sei zu bestätigen, dass der WLV bis zum Ende seiner Laufzeit auf der ursprünglichen Preisgrundlage fort gelte.
Mit der Klage hat die Klägerin geltend gemacht, die Preisanpassungsklausel sei nicht hinreichend transparent, unangemessen benachteiligend und ermögliche der Beklagten eine verdeckte Gewinnmaximierung. Überdies sei davon auszugehen, dass die Beklagte den Vertrag, ohne ihn den Wünschen der ... entsprechend anzupassen, mehrfach verwendet habe. Sie, die Klägerin sei daher Adressatin vorformulierter Klauseln, wobei es insoweit unerheblich sei, ob die Vertragsbedingungen irgendwann einmal mit einer anderen Partei ausgehandelt worden seien; hierauf komme es nicht an, weil die Unwirksamkeit der Regelung in § 5 WLV sich unmittelbar aus § 24 Abs. 3 AVBFernwärmeV ...