Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Aktenzeichen 4c O 73/20) |
Tenor
I. Auf die Berufung wird das am 15. Juli 2021 verkündete Urteil der 4c Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf abgeändert:
1. Die einstweilige Verfügung der 4c Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 14. Dezember 2020 (Az.: 4c O 73/20) wird aufgehoben.
2. Der auf ihren Erlass gerichtete Antrag wird als unzulässig zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz trägt die Verfügungsklägerin.
III. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 500.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Verfügungsklägerin nimmt die Verfügungsbeklagten, bei denen es sich um Gesellschaften des A.-Konzerns mit Hauptsitz in China handelt, im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes mit dem Ziel in Anspruch, ihnen das Betreiben gerichtlicher Verfahren insbesondere in China zu verbieten, in denen beantragt wird, der Verfügungsklägerin zu untersagen, ihre Patentrechte in dem beim Landgericht Düsseldorf anhängigen Hauptsacheverfahren durchzusetzen ("anti-suit-injunction") oder etwaige in diesem Verfahren erstrittene gerichtliche Entscheidungen zu vollstrecken ("anti-enforcement-injunction"), soweit nicht gewährleistet ist, dass ihr in einem solchen ausländischen Verfahren vor einer Entscheidung Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wird.
Mit den beim Landgericht Düsseldorf anhängigen Patentverletzungsklagen (Az.: 4c O 49/20 und 57/20) macht die Verfügungsklägerin gegen die Verfügungsbeklagten Ansprüche wegen der Verletzung des deutschen Teils der nach ihrer Behauptung für den Standard H.265/MPEG-H High Efficiency Video Coding (HEVC) essenziellen Patente EP ..... 318 (nachfolgend: EP '318) und EP ... 245 (nachfolgend: EP '245) geltend.
Ein Hauptsacheverfahren der Verfügungsbeklagten gegen die Verfügungsklägerin zur Bestimmung einer FRAND-Lizenz für die Nutzung des EP '318 oder des EP '245 in einer Jurisdiktion, welche das Rechtsinstitut der anti-suit-injunction oder der anti-enforcement-injunction kennt, etwa in China, ist nicht anhängig. Die Verfügungsbeklagten haben auch keinen Antrag auf Erlass einer anti-suit-injunction oder einer anti-enforcement-injunction gegen die Verfügungsklägerin in China oder einem anderen Land gestellt.
Mit Schriftsatz vom 11.12.2020 beantragte die Verfügungsklägerin den Erlass einer einstweiligen Verfügung, die das Landgericht am 14.12.2020 antragsgemäß im Beschlusswege erließ.
Auf den Widerspruch der Verfügungsbeklagten hielt das Landgericht die einstweilige Verfügung durch Urteil vom 15.07.2021 in einer gegenüber der Beschlussverfügung modifizierten Fassung aufrecht. Der Tenor der einstweiligen Verfügung lautet in der Fassung des Urteils wie folgt:
"Den Verfügungsbeklagten wird im Wege der einstweiligen Verfügung, ..., untersagt,
in der Volksrepublik China gerichtliche Verfahren einzuleiten und/oder fortzuführen, in denen beantragt wird, der Verfügungsklägerin zu untersagen,
a) ihre Patentrechte in der Bundesrepublik Deutschland gerichtlich gegen die Verfügungsbeklagten durchzusetzen, in dem vor der Kammer anhängigen Hauptsacheverfahren unter dem gerichtlichen Aktenzeichen 4c O 49/20 / 4c O 57/20,
b) etwaige gerichtliche Entscheidungen, die von der Verfügungsklägerin in den unter I.1.a) genannten Verfahren erstritten werden, gegen die Verfügungsbeklagten zu vollstrecken,
wenn nicht gewährleistet ist, dass der Verfügungsklägerin in einem solchen Verfahren vor einer Entscheidung Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wird."
Hiergegen wenden sich die Verfügungsbeklagten mit ihrer Berufung.
Von einer weitergehenden Darstellung des Sachverhaltes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1, 542 Abs. 2 S. 1 ZPO abgesehen.
II. Die zulässige Berufung der Verfügungsbeklagten hat Erfolg. Die einstweilige Verfügung ist aufzuheben, weil der auf ihren Erlass gerichtete Antrag unzulässig ist.
1.
Es fehlt an einem Rechtsschutzbedürfnis für den Erlass der von der Verfügungsklägerin begehrten einstweiligen Verfügung.
Der Senat schließt sich der Auffassung der Münchener Gerichte, die eine auf Untersagung der Beantragung einer anti-suit-injunction gerichtete einstweilige Verfügung ("anti-anti-suit-injunction") für möglich halten [dazu unter a)], im Grundsatz an. Dies gilt allerdings mit der Maßgabe, dass es sich sowohl bei der grundsätzlichen Zulässigkeit einer solchen Verfügung als auch bei der Bestimmung ihrer sachlichen Grenzen um Fragen des Rechtsschutzbedürfnisses handelt und dass eine anti-anti-suit-injunction nur dort, nur dann und nur in demjenigen Umfang in Betracht kommen kann, wie dies zur Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes des Patentinhabers vor deutschen Gerichten objektiv notwendig ist [dazu unter b)]. Eine solche Notwendigkeit ist im hier zu entscheidenden Fall zu verneinen, in dem es keinen Antrag auf Erlass einer anti-suit-injunction und auch keine stichhaltigen Anhaltspunkte für eine dahingehende Absicht der Verfügungsbeklagten gibt und in dem nicht einmal ein Hauptsacheverfahren der Verfügungsbeklagten gegen die Verfügungskläg...