Entscheidungsstichwort (Thema)
Nutzungsausfallentschädigung für die Dauer des selbständigen Beweissicherungsverfahren
Normenkette
BGB §§ 251, 254 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Krefeld (Urteil vom 23.08.2007) |
Gründe
... 3. Der Geschädigte muss sich eine Kürzung oder sogar einen Ausschluss seines Schadenersatzanspruches gem. § 254 Abs. 2 S. 1 BGB gefallen lassen, wenn er es schuldhaft unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Ihn trifft eine Mitverantwortung, wenn er vorwerfbar Sorgfaltspflichten außer Acht gelassen hat, deren Erfüllung jedem ordentlichen und verständigen Menschen obliegt, um sich selbst vor Schaden zu bewahren (s. nur BGH NJW 1997, 2234). Die Handlung der Klägerin, die hier eine Verletzung der Schadensminderungspflicht darstellen könnte, wäre die Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens. Die Klägerin durfte es jedoch im vorliegenden Fall ausnahmsweise für geboten und erforderlich halten, mit der Erteilung des Reparaturauftrages bis zum Abschluss des Beweisverfahrens abzuwarten. Unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falles geht der Senat ausnahmsweise davon aus, dass es keine Obliegenheitsverletzungen der Klägerin als Geschädigte eines Verkehrsunfalls darstellte, zunächst ausreichende Beweissicherungsmaßnahmen in Gestalt des beantragten selbständigen Beweisverfahrens zur Unfallrekonstruktion zu ergreifen (so auch in einem ähnlichen Fall OLG Saarbrücken MDR 2007, 1190).
a) Aus Sicht der Klägerin war hier nämlich konkret zu befürchten, ohne eine schnellstmögliche gerichtliche Beweissicherung ihren berechtigten Schadensersatzanspruch nicht durchsetzen zu können.
Die Beklagten zu 1. und 2. hatten bereits am Unfallort und auch später im erstinstanzlichen Hauptverfahren objektiv wahrheitswidrig angegeben, ihr Lkw habe gestanden und die Klägerin sei auf den Lkw aufgefahren. Der Klägerin standen keine Zeugen zur Verfügung, die ihre (richtige) Unfallschilderung hätten bezeugen können. Angesichts der Äußerungen der Beklagten zu 1. und 2. am Unfallort war zudem nicht damit zu rechnen, dass die Beklagte zu 3. als Haftpflichtversicherung die Ansprüche der Klägerin anerkennen würde. Es lag daher nahe anzunehmen, dass eine Beweisführung im Sinne der Klägerin nur im Wege der sachverständigen Unfallrekonstruktion zu erreichen war.
b) Die Klägerin konnte in dieser Situation nicht darauf vertrauen, dass ein Sachverständiger bereits anhand einer fotografischen Dokumentation der Unfallbeschädigungen an den beiden Fahrzeugen eine aussagekräftige Unfallrekonstruktion hätte erstellen können. An dem Fahrzeug der Beklagten waren Unfallspuren nicht zu erkennen, da sich der Unfall bei außergewöhnlich geringer Geschwindigkeit, nämlich nur 2 bis 4 km/h, ereignet hatte. Der Lkw der Beklagten hatte den Frontbereich des klägerischen Fahrzeuges mit dem Zugmaul eingedrückt. An diesem Bauteil gab es keinerlei Verformungen. Unter diesen Umständen war auch nicht damit zu rechnen, dass der unfallbedingte Zustand des Beklagtenfahrzeugs im Rahmen eines ggf. von den Beklagten eingeholten Schadensgutachtens dokumentiert werden würde. Ein privater Gutachter, den die Klägerin zur fotografischen Dokumentation der Beschädigungen an ihrem Fahrzeug hätte beauftragen können, hätte keine Befugnisse gehabt, das Fahrzeug der Beklagten zu fotografieren oder zu untersuchen. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass die Beklagte zu 3., die bereits am Folgetag nach dem Unfall von dem Anwalt der Klägerin von der Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens informiert worden war, Maßnahmen zur Sicherung etwaiger Unfallspuren am Beklagtenfahrzeug unternommen hätte.
c) Angesichts der besonderen Umstände dieses Verkehrsunfalls lag es zudem nahe anzunehmen, dass eine aussagekräftige Rekonstruktion des Geschehens nur durch eine Gegenüberstellung der Fahrzeuge erreicht werden konnte. Der Unfall ereignete sich bei ungewöhnlich geringen Geschwindigkeiten. Auf die rekonstruierende Überdeckung der Fahrzeuge kam es daher aus Sicht der Klägerin an. Ggfs. war der Beladungszustand des beklagten Lkw zu rekonstruieren und die konkreten Höhenverhältnisse zu ermitteln.
d) Die Tatsache, dass der gerichtlich bestellte Sachverständige S. im Streitverfahren erster Instanz letztlich im nachhinein den Unfall doch anhand der von dem Sachverständigen J. im selbständigen Beweisverfahren angefertigten Fotografien rekonstruieren konnte, war ex ante jedenfalls nicht ohne weiteres ersichtlich. Zudem war, wie bereits ausgeführt, nicht damit zu rechnen, dass der Zustand des Beklagtenfahrzeugs aussagekräftig dokumentiert werden würde. Dass eine gerichtliche Beweissicherung sogar aus einer Betrachtung im nachhinein erforderlich war, zeigt der Umstand, dass das Fahrzeug der Beklagten im erstinstanzlichen Verfahren vor dem LG nicht mehr für eine Begutachtung zur Verfügung stand. Es war zwischenzeitlich veräußert worden. Hätte die Klägerin daher das selbständige Beweisverfahren nicht eingeleitet und hätten dem Sachverständigen S. die aus dem selbständigen Beweisver...