Entscheidungsstichwort (Thema)
Volljährigenunterhalt: Berücksichtigung der Stundung des Kostgeldanspruchs durch die Pflegeeltern. Absetzung berufsbedingter Aufwendungen eines Auszubildenden. Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Stundung des Kostgeldanspruchs durch die Pflegeeltern soll als freiwillige Zuwendung Dritter nicht der Entlastung der Unterhaltspflichtigen dienen.
2. Berufsbedingte Aufwendungen einer Auszubildenden können mit monatlich 90,00 EUR angesetzt werden.
3. Bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Unterhaltspflichtigen ist die Hälfte des gemeinsamen Einkommens der Eheleute als ihr angemessener Bedarf vorweg von der Summe des gemeinsamen Einkommens abzuziehen.
4. Luxusaufwendungen in der Form, dass die Unterhaltspflichtige nach einem Jahr ein zweites Motorrad erwirbt und finanziert, muss die Unterhaltsberechtigte nicht gegen sich gelten lassen.
5. Beim Zusammenleben mit einem neuen Partner ist der Selbstbehalt auf monatlich 860,00 EUR herabzusetzen.
Normenkette
BGB § 1603 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Moers (Urteil vom 01.06.2006) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin wird das am 1.6.2006 verkündete Urteil des AG - FamG - Moers unter Zurückweisung der weiter gehenden Rechtsmittel teilweise abgeändert.
Die Beklagte wird unter Klageabweisung im Übrigen verurteilt, an die Klägerin für die Zeit von Januar bis einschließlich August 2006 monatlich im Voraus einen Unterhalt i.H.v. 195,89 EUR und ab September 2006 i.H.v. monatlich 121,85 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz jeweils seit dem 2. der Monate ab Februar 2006 zu zahlen.
Die Kosten des ersten Rechtszuges tragen die Beklagte zu 6/7 und die Klägerin zu 1/7, diejenigen des zweiten die Beklagte zu 7/8 und die Klägerin zu 1/8.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die zulässige Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin sind lediglich in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang begründet.
I. Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen. Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung vor allem gegen die Bewertung des AG, den Bedarf der Klägerin nach den für einen Studierenden geltenden Grundsätzen zu bewerten, und beanstandet Einzelheiten der Unterhaltsberechnung.
Sie beantragt, die Klage unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils gänzlich abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das Urteil des AG und hat Anschlussberufung mit dem Antrag erhoben, die Beklagte zu verurteilen, an sie auch für die Monate August und September (gemeint: 2006) monatlichen Kindesunterhalt von 207,07 EUR sowie von den für die Zeit ab Februar 2006 ausgeurteilten Unterhaltsbeträgen Zinsen zu zahlen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem Ersten des Monats, für den die monatlichen Unterhaltsbeträge jeweils zu entrichten sind.
Der Senat hat ihr insoweit Prozesskostenhilfe bewilligt für den Antrag, die Beklagte zu verurteilen, auch für August 2006 einen Kindesunterhalt von 207,07 EUR sowie von den für die Zeit ab Februar 2006 ausgeurteilten Unterhaltsbeträgen Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. der Monate ab Februar 2006 zu zahlen. Die Klägerin hat ihren Antrag hieran angepasst. Die Parteien haben den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt, soweit die Beklagte mit der Anschlussberufung für September 2006 einen über 131,85 EUR hinausgehenden Kindesunterhalt verlangt hat.
Die Beklagte beantragt, die Anschlussberufung zurückzuweisen.
II. Die zulässige Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin sind in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfange begründet.
1. Der Bedarf der Klägerin beträgt für den Streitzeitraum monatlich 640 EUR. Der Senat hat bereits entschieden (Prozesskostenhilfebeschluss vom 23.6.2003 - 9 UF 137/02), dass ein Auszubildender mit Blick auf die Zahlung eines monatlichen Betrages von 150 DM für Kost und Logis an den "Stiefgroßvater" einem volljährigen Kind mit eigenem Hausstand (Anm. 7 Abs. 2, S. 2 zur sog. Düsseldorfer Tabelle) gleich zu setzen ist. Für Kürzungen ist insoweit kein Raum, weil es dem Auszubildenden - innerhalb des ihm zustehenden Betrages - frei steht, die Mittel nach seinem Belieben zu verwenden. Etwaige zusätzliche Leistungen des "Stiefgroßvaters" oder hier der früheren Pflegeeltern sind als freiwillige Zuwendungen eines Dritten zu bewerten, die im Zweifel nicht der Entlastung des Unterhaltspflichtigen zu dienen bestimmt sind. Das betrifft im Streitfall vor allem das Entgegenkommen der Pflegeeltern, der Klägerin von ihrer Ausbildungsvergütung noch kein "Kostgeld" abzuverlangen, sondern die tatsächlichen Zahlungen der Beklagten abwarten zu wollen und - soweit diese zu erlangen sind - dann auch rückwirkend ab Januar 2006 zu fordern. Rechtlic...