Leitsatz (amtlich)
1. Hat der Auftraggeber das Bauwerk bezogen, liegt darin nach Ablauf einer angemessenen Prüfungsfrist eine konkludente Abnahme, wenn sich aus dem Verhalten des Auftraggebers nichts Gegenteiliges ergibt. Die Dauer der angemessenen Prüfungs- bzw. Bewertungsfrist orientiert sich an den Umständen des Einzelfalles und regelmäßig nicht an den starren Fristen der in 12 Abs. 5 VOB/B geregelten Abnahmefiktion. Die Dauer dieser Prüfungs- und Bewertungsfrist darf nicht beliebig verlängert werden, sondern muss auch die Interessen des Auftragnehmers berücksichtigen. Im Einzelfall kann indes zugunsten des Auftraggebers zu berücksichtigen sein, ob der Bezug des Bauwerks bzw. der Beginn der Nutzung der Werkleistung seitens des Auftraggebers unter dem Zwang der Verhältnisse (etwa der Räumungspflicht bisheriger Räume, vertraglicher Verpflichtungen, Schadensminderungspflichten des Auftraggebers etc.) erfolgt.
2. Die vom BGH (Urteil vom 29.06.2013, VII ZR 220/12) angenommene Prüfungsfrist von "nicht mehr als 6 Monaten" betraf den Sonderfall einer Architektenleistung im Rahmen der Sanierung bzw. des Umbaus einer denkmalgeschützten Villa.
3. Im Hinblick auf die Differenzierung zwischen der "unmittelbaren" Werkleistung (des Fachunternehmens) und der "mittelbaren" Werkleistung des Architekten, eine mangelfreie "unmittelbare" Werkleistung (des Fachunternehmens) zu bewirken, sind im Regelfall die jeweiligen Zeitpunkte, zu dem (mangels ausdrücklicher bzw. förmlicher Abnahme) eine konkludente Abnahme der Fachunternehmerleistung und der Architektenleistung anzunehmen ist, nicht identisch. Dies gilt erst recht bei Übertragung der Vollarchitektur (d.h. einschließlich der Leistungsphase 9), da die Rechnungsprüfung, die Überwachung der Beseitigung der bei Abnahme der ("unmittelbaren") Werkleistung des Fachunternehmens festgestellten Mängel und die Kostenkontrolle einen erheblichen Zeitraum in Anspruch nehmen kann und das Architektenwerk erst dann vollendet ist.
4. Auf eine werkvertragliche Mängelrüge als sog. geschäftsähnliche Handlung sind regelmäßig die Vorschriften über Willenserklärungen entsprechend anwendbar.
5. Auch eine Erklärung bzw. ein (Erklärungs-)Verhalten eines Dritten (wie hier der Objekteigentümerin) genügt regelmäßig nur dann als Abnahme, wenn die entsprechenden rechtsgeschäftlichen Voraussetzungen dafür vorliegen.
6. Kommen für einen Werkmangel mehrere (selbständige, alternative) Ursachen in Betracht, muss der Auftraggeber nach einer - wie hier - durch rügelose Ingebrauchnahme und Ablauf einer angemessenen Prüfungs- und Bewertungsfrist erfolgten (konkludenten) Abnahme darlegen und beweisen, dass der Unternehmer für alle Ursachen gewährleistungspflichtig ist.
Verfahrensgang
LG Krefeld (Urteil vom 05.11.2015; Aktenzeichen 5 O 92/13) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten wird das Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des LG Krefeld vom 05.11.2015 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Das erstinstanzliche Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin macht aus einem Werkvertrag über den Umbau eines Gebäudes in ein Fitnessstudio vom 23./29.05.2012 in W. Restwerklohn aus zwei Schlussrechnungen in Höhe von 4.690,98 EUR (16 GA, betr. Bodenverlegearbeiten) und in Höhe weiterer 1.071 EUR (betr. Arbeiten an Theke und Tür, d.h. insgesamt 5.761,98 EUR nebst Verzugszinsen geltend. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das LG hat der Klage nach Beweisaufnahme - unter Klageabweisung im Übrigen als derzeit unbegründet - in Höhe von 5.313,73 EUR nebst Verzugszinsen entsprochen und zur Begründung - soweit berufungsrelevant - im Wesentlichen ausgeführt:
Die Klägerin könne für die Bodenverlegearbeiten aus der Rechnung vom 03.09.2012 über 4.690,80 EUR einen Teilbetrag in Höhe von 4.244,73 EUR geltend machen, da die Klägerin einen über ihr Angebot vom 13.08.2012 über 3.267,00 EUR netto bzw. 3.887,73 EUR brutto hinausgehenden Zusatzauftrag (nur) in Höhe von 357 EUR brutto bewiesen habe, nämlich nach Angaben des Zeugen N. für 11,4 qm bzw. rund 12 qm PVC-Material für den Bereich zwischen den Umkleidekabinen (mit als kostenfrei vereinbarter Verlegung durch die Klägerin).
Der Anspruch sei auch fällig, da von einer konkludenten Abnahme auszugehen, da der Beklagten in dem Zeitraum von mehr als vier Monaten (von der ersten Nutzungshandlung am 01.09.2012 bis zur erstmaligen Rüge am 08.01.2013) die Bodenverlegearbeiten in dem beschränkten Bereich hinreichend habe prüfen können. Aus dem vom Beklagten zitierten Urteil des BGH vom 26.09.2013 (VII ZR 220/12) folge nichts anderes, da es sich dort um den nicht vergleichbaren Fall einer Architektenleistung gehandelt habe.
Ein aufrechenbarer Anspruch auf Mängelbeseitigungskosten stehe dem Beklagten nicht zu, denn die Klägerin habe für die vom Sachverständigen nach Abnahme festgestellte s...