Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeitliche Befristung des nachehelichen Unterhaltsanspruchs bei kurzer Ehedauer
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Ehe ist von kurzer Dauer, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft rund 3 1/2 Jahre dauerte und die Ehe nach rund 6 Jahren rechtskräftig geschieden wurde mit der Folge, dass nacheheliche Unterhaltsansprüche zu befristen sind.
2. Das Erlöschen der Witwenrente aufgrund der Eheschließung kann dazu führen, dass eine unbefristete nacheheliche Unterhaltspflicht lediglich in Höhe der entfallenen Witwenrente besteht.
Normenkette
BGB § 1573 Abs. 5, § 1578 Abs. 1 S. 2 2. Hs. a.F.
Verfahrensgang
AG Wesel (Urteil vom 04.04.2006) |
Tenor
Auf die Berufung des Antragstellers wird das Urteil des AG Wesel vom 4.4.2006 hinsichtlich des nachehelichen Unterhalts teilweise abgeändert und insoweit unter Zurückweisung der weiter gehenden Berufung wie folgt neu gefasst:
Der Antragsteller wird verurteilt, an die Antragsgegnerin ab Rechtskraft der Scheidung bis zum 31.12.2007 nachehelichen Unterhalt i.H.v. 687 EUR monatlich und ab dem 1.1.2008 nachehelichen Unterhalt i.H.v. 238 EUR monatlich zu zahlen.
Der weiter gehende Unterhaltsantrag wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens in 1. Instanz bleiben gegeneinander aufgehoben; die Kosten des Verfahrens 2. Instanz werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die zulässige Berufung des Antragstellers hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umgang Erfolg (§§ 1569 ff. BGB).
Gründe
1. Der Antragsteller bezieht eine monatliche Rente von netto 1.399,09 EUR; diesem Betrag sind im Rahmen des Versorgungsausgleichs übertragene 5,67 EUR monatlich und Netto-Zinseinnahmen von 250 EUR hinzuzurechnen, so dass sich ein Gesamtbetrag von 1.654,76 EUR bzw. rund 1.655 EUR ergibt.
2.a) Die Antragsgegnerin bezieht eine monatliche Rente von netto 58,86 EUR; von diesem Betrag sind die o.a. im Rahmen des Versorgungsausgleichs übertragenen 5,67 EUR monatlich abzuziehen, so dass 53,19 EUR verbleiben.
b) Die Parteien haben nunmehr im Senatstermin vom 27.9.2006 unstreitig gestellt, dass die Antragsgegnerin zur Abgeltung ihres Wohnrechts vom Antragsteller einen Betrag i.H.v. 16.000 EUR erhalten hat. Der Berufungseinwand des Antragstellers, dieser Betrag von 16.000 EUR sei mit 360 EUR monatlich auf 4,75 Jahre bzw. bis August 2009 zu strecken, in diesem Zeitraum sei der Wohnbedarf der Antragsgegnerin nicht in Ansatz zu bringen und ihr der Ertrag aus dem verbleibenden Kapital als laufendes Einkommen zuzurechnen, folgt der Senat aus mehreren Gründen nicht. Es ist bereits nicht hinreichend erkennbar, dass der Betrag i.H.v. 16.000 EUR vom Antragsteller - wenngleich zur Abgeltung eines Wohnrechts der Antragsgegnerin - zielgerichtet zur Deckung des zukünftigen Wohnbedarfs der Antragsgegnerin geleistet worden ist. Vielmehr hat die Antragsgegnerin ihr Recht offensichtlich im Interesse des Antragstellers aufgegeben. Der Antragsgegnerin dieses Entgegenkommen im Nachhinein unterhaltsrechtlich nachteilig anzulasten, hält der Senat hier - wie bereits im Senatstermin erörtert - nicht für gerechtfertigt. Zudem erscheint es im Hinblick auf die beiderseitigen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien auch unter Berücksichtigung von § 1577 Abs. 3 BGB (vgl. Palandt-Brudermüller, § 1577 BGB, Rz. 33/34 m.w.N.) nicht als gerechtfertigt, von der Antragsgegnerin die Verwertung ihres Vermögensstammes im Wege gestreckter Anrechnung der Zahlung von 16.000 EUR zu verlangen, zumal auch dem Antragsteller sein Vermögensstamm (soweit noch verblieben) belassen wird. Anzurechnen sind der Antragsgegnerin dementsprechend nur Zinsen i.H.v. 3 % p. A. aus dem ihr verbliebenen Restkapital, wobei es im Hinblick auf die im u.a. Umfang beschränkte Leistungsfähigkeit des Antragstellers nicht darauf ankommt, in welchem konkreten Umfang ein Kapitalverbrauch unterhaltsrechtlich anzuerkennen ist.
3. Der Einwand des Antragstellers, der Bedarf der Antragsgegnerin betrage nach ihren eigenen Angaben zu den angeblich spärlichen ehelichen Lebensverhältnissen maximal bis zu 300 EUR, ist unberechtigt, da sich der eheliche Lebensbedarf der Antragsgegnerin ersichtlich nicht nur aus etwaigen Barzahlungen des Antragstellers an die Antragsgegnerin ableitet, wie sich bereits aus den eigenen erstinstanzlichen Behauptungen des Antragstellers zu den finanziellen Umständen der ehelichen Lebensverhältnisse (vgl. insb. 95 ff. GA) ergibt.
4. Soweit der Antragsteller einwendet, sein Selbstbehalt müsse mit 995 EUR berücksichtigt werden, ist die Berechnung seiner Leistungsfähigkeit durch das AG in mehrfacher Hinsicht bereits rechnerisch nicht nachvollziehbar und fehlerhaft. Ein Selbstbehalt i.H.v. 995 EUR steht dem Antragsteller mangels Erwerbstätigkeit nicht zu, vielmehr nur - entsprechend der neueren Rechtsprechung des BGH (BGH v. 15.3.2006 - XII ZR 30/04, BGHReport 2006, 781 m. Anm. Luthin = MDR 2006, 1235 = FamRZ 2006, 683) - ein angemessener "mittlerer" Selbstbehalt von 935 EUR zu, nämlich 770 EUR + (1.100 EUR./. 77...