Leitsatz (amtlich)

1. Nach einem Instanzverlust hat der Rechtsanwalt den Mandanten über die formellen Voraussetzungen eines Rechtsmittels, über ohne weiteres erkennbare Abweichungen von der höchstrichterlichen Rechtsprechung sowie dann zu belehren, wenn der Fehler des Urteils (auch) darauf beruht, dass der Rechtsanwalt nicht sachgerecht gearbeitet, er das unrichtige Urteil also mitverursacht hat.

2. Behauptet der Mandant eine fehlerhafte Beratung, so darf der Rechtsanwalt diese Behauptung nicht schlicht bestreiten, sondern muss den Gang der Besprechung im Einzelnen schildern, insbesondere konkrete Angaben dazu machen, welche Belehrungen und Ratschläge er erteilt und wie der Mandant darauf reagiert hat.

3. Die Darlegungs- und Beweislast im Regressprozess richtet sich grundsätzlich nach der Darlegungs- und Beweislast im Ausgangsverfahren (hier Unterhaltsrechtsstreit); dabei muss das Regressgericht selbst prüfen, wie jenes Verfahren richtigerweise zu entscheiden gewesen wäre, und den Sachverhalt zugrunde legen, der auch dem Ausgangsgericht zur Entscheidung vorgelegt worden wäre.

 

Normenkette

BGB §§ 675, 611, 280, 1578b

 

Verfahrensgang

LG Düsseldorf (Urteil vom 26.01.2011; Aktenzeichen 2b O 5/10)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 26.1.2011 verkündete Urteil der 2b. Zivilkammer des LG Düsseldorf - Einzelrichterin - unter Zurückweisung der Berufung des Klägers abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Der Kläger macht gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz geltend, nachdem die Beklagte ihn in den Jahren 2007 und 2008 im Zusammenhang mit der Scheidung von seiner Ehefrau anwaltlich beraten und vertreten hat.

Die Ehe des Klägers war 1987 geschlossen worden. Aus der Ehe sind zwei gemeinsame Kinder hervorgegangen, der 1990 geborene Sohn B. und die 1994 geborene Tochter A.. Der Kläger ist ferner Vater der 1997 außerehelich geborenen Tochter S., für die er Unterhalt zahlt. Frau H. ist gelernte Zahntechnikerin und hatte bis zur Geburt des ersten Kindes 1990 vollzeitig in ihrem Beruf gearbeitet. Danach war sie bis zur Trennung der Eheleute im Januar 2007 Hausfrau. Seit August 2008 arbeitete sie zunächst teilschichtig, ab November 2008 vollschichtig als Verkäuferin, ab März 2010 als Kassiererin.

Die Beklagte vertrat den Kläger zunächst im Rahmen des Trennungs- und Kindesunterhaltsverfahrens vor dem AG Neuss (48 F 43/07) und dem OLG Düsseldorf (II-7 UF 70/08). Durch Teil-Anerkenntnisurteil des AG Neuss vom 12.11.2007 wurde, beginnend mit November 2007, ein Unterhaltsanspruch für die beiden gemeinsamen Kinder i.H.v. monatlich jeweils 442 EUR tituliert.

Die Beklagte hat im Januar 2008 für den Kläger den Antrag auf Ehescheidung beim AG Neuss gestellt und vertrat ihn auch in dem sich anschließenden Scheidungsverfahren vor dem AG Neuss (Aktenzeichen 48 F 10/08), in dem die Ehefrau u.a. einen Anspruch auf Zahlung nachehelichen Unterhalts verfolgte. Der Kläger begehrte eine Begrenzung und Befristung des Ehegattenunterhalts ausgehend von einem aus seiner Sicht erzielbaren Nettoeinkommen als Zahntechnikerin i.H.v. 1.477, 53 EUR. Die Ehe wurde durch Urteil des AG Neuss vom 8.12.2008 unter Durchführung des Versorgungsausgleichs geschieden.

In dem Urteil wurde der Kläger unbefristet zur Zahlung eines nachehelichen Unterhalts an seine frühere Ehefrau i.H.v. monatlich 740 EUR verurteilt. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf das in den Beiakten befindliche Urteil verwiesen.

Die Beklagte leitete das Urteil des AG Neuss im Dezember 2008 an den Kläger weiter. Am 18.12.2008 fand eine gemeinsame Besprechung des Urteils in den Kanzleiräumen der Beklagten statt. Ein Berufungsverfahren gegen das Urteil führte der Kläger nicht durch.

Die geschiedenen Eheleute reduzierten den nachehelichen Unterhalt zum 1.5.2010 im Hinblick auf eine Einkommenserhöhung der Ehefrau einvernehmlich auf 575 EUR.

Der Kläger hat behauptet: Die Beklagte habe ihm ausdrücklich erklärt, eine Berufung wegen des nachehelichen Unterhalts habe keine Aussicht auf Erfolg. Er habe aufgrund dieser Einschätzung der Beklagten Berufung gegen das Urteil nicht eingelegt. Ein Berufungsverfahren wäre aber, so die Ansicht des Klägers, erfolgversprechend gewesen, weil erwartet werden konnte, dass seine frühere Ehefrau in den alten Beruf zurückkehrte, so dass ein ehebedingter Nachteil und damit der Unterhaltsanspruch insgesamt entfielen.

Das AG habe zudem zur Berechnung des ehebedingten Nachteils seiner geschiedenen Ehefrau ein zu hohes Einkommen von 1.690 EUR netto als fiktiven heutigen Verdienst im erlernten Beruf der Zahntechnikerin angesetzt und hiervon zudem fehlerhaft nicht die Pauschale für...

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