Leitsatz (amtlich)
1. Gem. § 10 Abs. 2 S. 1 analog RVG ist ein vereinbartes Zeithonorar mangels Angabe der jeweils angesetzten Stundensätze in der Rechnung - differenzierend nach Tätigkeiten von Partnern einerseits und angestellten Rechtsanwälten andererseits - nicht fällig.
2. a) Die vorgenannten Angaben können grundsätzlich auch noch in der Berufungsinstanz nachgeholt werden; § 531 Abs. 2 ZPO steht dem regelmäßig nicht entgegen.
b) Soweit die Berufung nach entsprechender Ergänzung der Rechnung Erfolg hat, hat der auf Vergütung klagende Rechtsanwalt die Kosten der Berufung nach § 97 Abs. 2 analog ZPO zu tragen.
3. a) In einer Vergütungsvereinbarung gem. § 3a RVG muss eindeutig festgelegt werden, für welche Tätigkeiten der Auftraggeber eine höhere als die gesetzliche Vergütung zahlen soll; insbesondere muss in der Vergütungsvereinbarung festgelegt werden, ob diese nur für das derzeitige Mandat oder auch für zukünftige Mandate, insbesondere Weiterungen des bestehenden Mandates gelten soll.
b) Selbst eine geltungserhaltende Reduktion einer Vergütungsvereinbarung auf ein (vermeintlich) originäres Mandat kann nach den konkreten Umständen des Einzelfalles aufgrund der bei dem Abschluss der Vereinbarung vorherrschenden Situation (hier: Konglomerat potenzieller Auseinandersetzungen verschiedener Personen) ausscheiden.
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Aktenzeichen 13 O 400/19) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin und auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 13. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Düsseldorf vom 12.02.2021 unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin im Übrigen teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von EUR 2.096,90 nebst Zinsen iHv 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.08.2022 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an die Beklagte einen Betrag in Höhe von EUR 77.905,49 nebst Zinsen iHv 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.03.2020 zu zahlen.
III. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung von Anwaltshonorar auf der Basis einer Mandatsvereinbarung nebst einer Vergütungsvereinbarung vom 05./08.10.2015 (Anlage K 1) in Anspruch. Widerklagend nimmt die Beklagte die Klägerin auf Erstattung bereits gezahlten Honorars in Anspruch.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz einschließlich der dort gestellten Anträge wird auf das angefochtene Urteil ("LGU", GA 143ff) gem. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen. Das Landgericht hat sowohl die Klage als auch die Widerklage abgewiesen und insoweit im Wesentlichen zur Begründung ausgeführt:
Die Klage sei derzeit unbegründet, weil die Klägerin mangels einer ordnungsgemäßen Berechnung keine Zahlung mit Erfolg verlangen könne. Die Regelung des § 10 RVG gelte auch für Zeithonorare. Insbesondere sei § 10 Abs. 2 S. 1 RVG analog anzuwenden, soweit die Eigenart der vereinbarten Vergütung eine nähere Spezifizierung erfordere und zulasse. Insofern sei im Rahmen der notwendigen Berechnung eines Zeithonorars insbesondere der angesetzte Stundensatz anzugeben. Das gelte erst recht, wenn die Tätigkeit mehrerer Rechtsanwälte abgerechnet werde und unterschiedliche Stundensätze in Betracht kämen. Da weder in den erstinstanzlich vorgelegten Rechnungen der Klägerin noch in deren Schriftsätzen der jeweils angesetzte Stundensatz genannt sei, seien Vergütungsansprüche der Klägerin noch nicht fällig gewesen. Die Klägerin könne auch nicht mit Erfolg geltend machen, dass der Geschäftsführer der Beklagten die von der Klägerin geforderten Rechnungsbeträge vorprozessual anerkannt habe: Dem betreffenden Vorbringen der Klägerin sei nicht zu entnehmen, dass sich das vermeintliche Anerkenntnis auch auf den angesetzten Stundensatz bezogen habe.
Am betreffenden Einwand in Bezug auf die fehlende Angabe des angesetzten Stundensatzes sei die Beklagte auch nicht etwa deshalb gehindert, weil sie die Rechnungen - unstreitig - nicht binnen eines Monats nach Zugang beanstandet habe. Die Vereinbarung im vorletzten Absatz der Vergütungsvereinbarung (Anlage K 1 a.E.) beziehe sich allein auf "Bearbeitungszeiten" und es sei zudem nicht erkennbar, dass mit ihr eine Einwendungsfrist rechtsgeschäftlich vereinbart worden sei.
Die Widerklage bleibe ebenfalls ohne Erfolg. Die Beklagte habe nicht hinreichend dargelegt, dass die Vergütungsvereinbarung als Rechtsgrund iSv § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB dafür ausscheide, dass die Klägerin die bislang von der Beklagten erbrachten Zahlungen be...