Leitsatz (amtlich)
1. Die Regelung in einem gerichtlichen Räumungsvergleich, "Mietansprüche für die Vergangenheit bestehen damit nicht mehr", schließt die Nachforderung eines Saldos aus einer zeitlich erst später erstellten Betriebskostenabrechnung nicht aus.
2. Der Vermieter muss sich jedoch bei der Aufstellung der Betriebskostenabrechnung aufgrund der Erlass- und Erfüllungswirkung des Räumungsvergleichs so behandeln lassen, als seien die bis zu seinem Abschluss fälligen Vorauszahlungen auf die Heiz- und allgemeinen Betriebskosten gezahlt.
Normenkette
BGB §§ 133, 157
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Urteil vom 29.04.2011; Aktenzeichen 13 O 1/10) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 29.4.2011 verkündete Urteil der 13. Zivilkammer des LG Düsseldorf - Einzelrichterin - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 7.343,10 EUR zu zahlen nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 27,68 EUR seit dem 5.6.2008, von weiteren 1.254,78 EUR seit dem 4.7.2008, von weiteren 459,80 EUR seit dem 6.8.2008, von weiteren 524,07 EUR seit dem 12.7.201, von weiteren 2.123,33 EUR seit dem 7.11.2009 und von weiteren 2.788,33 EUR seit dem 12.7.2010.
Die weiter gehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten der erstinstanzlichen Beweisaufnahme werden der Klägerin auferlegt. Die Übrigen Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen die Klägerin zu 14 %, der Beklagte zu 86 %.
Die Kosten der Berufung trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die zulässige Berufung hat in der Sache in beantragter Höhe von 5.076,77 EUR Erfolg. In dieser Höhe steht der Klägerin über den erstinstanzlich zuerkannten Betrag von 2.266,68 EUR hinaus gem. § 535 Abs. 2 BGB ein weiterer Zahlungsanspruch gegen den Beklagten zu. Das beruht im Einzelnen auf folgenden Erwägungen:
1. Die Berufung wendet sich im Ansatz zu Recht gegen die Auffassung des LG, der im Verfahren 14c O 231/07 LG Düsseldorf am 17.4.2008 geschlossene Räumungsvergleich schließe auch eine berechtigte Nachforderung aus den Abrechnungen der Verwalterin vom 29.8.2008 über die allgemeinen Betriebskosten (Abrechnungsperiode 1.9.2006 - 31.8.2007) und die Heizkosten (Abrechnungsperiode 1.6.2006 - 31.5.2007), der Abrechnung vom 26.5.2009 über die Heizkosten für die Abrechnungsperiode 1.6.2007 - 31.5.2008 und der Abrechnung vom 10.8.2009 über die allgemeinen Betriebskosten für die Abrechnungsperiode 1.9.2007 - 31.8.2009 aus.
Neben der Räumungspflicht zum 31.5.2008 enthält Ziff. 3 des Vergleichstextes die Verpflichtung des Beklagten, an die Klägerin einen Betrag von 6.000 EUR zu zahlen. Ziff. 6 (richtig: Ziff. 4) stellt klar, dass in diesem Betrag die Miete für Mai 2008 enthalten ist und weitere Mietansprüche für die Vergangenheit nicht bestehen. Die Auslegung des LG, die auf der Grundlage der nach § 529 ZPO maßgeblichen Tatsachen gem. §§ 513 Abs. 1, § 546 ZPO in vollem Umfang der Prüfungskompetenz des Senats unterliegt, ist rechtsfehlerhaft. Nach §§ 133, 157 BGB ist bei der Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen der wirkliche Wille der Erklärenden zu erforschen. Dabei ist zunächst vom Wortlaut der Erklärung auszugehen. In einem zweiten Auslegungsschritt sind ggf. die außerhalb des Erklärungsakts liegenden Begleitumstände in die Auslegung einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen (BGH NJW 1998, 2966; NJW 1995, 1212; NJW 1994, 188). Das LG hat angenommen, Betriebskostennachforderungen bis 31.5.2008 seien als Bestandteil der Miete von der in Ziff. 4 des Vergleichs getroffenen Regelung erfasst. Dies ist rechtsirrig und bereits mit dem objektiven Wortlaut des Vergleichs nicht vereinbar. Der Senat lässt offen, ob der Saldo aus einer Betriebskostenabrechnung - wie es das LG meint - begrifflich als Miete einzustufen ist. Jedenfalls ergibt bereits eine an objektiven Maßstäben orientierte Auslegung der Vergleichsziffer 4, dass von der Formulierung "Mietansprüche für die Vergangenheit bestehen damit nicht mehr" mit Ausnahme der ausdrücklich aufgeführten Miete Mai 2008 nur solche Mietforderungen der Klägerin erfasst sein konnten, die im Zeitpunkt des Vergleichsschlusses bereits fällig waren. Nur solche Mietansprüche lassen sich bei verständiger Würdigung begrifflich als "Mietansprüche für die Vergangenheit" einordnen. Die Nachforderung aus einer - wie hier - erst nach dem Stichtag (31.5.2008) erstellten Betriebs- und Heizkostenabrechnung wird demgegenüber erst mit der Übermittlung einer formell ordnungsgemäßen Abrechnung fällig (BGH, Urt. v. 28.4.2010 - VIII ZR 263/09) und ist mit dieser Zukunftsausrichtung von der auf Mietansprüche für die Vergangenheit beschränkten Sprachregelung des Vergleichs nicht erfasst. Hätten die Parteien auch den Saldo aus einer erst noch zu erstellenden Betriebskostenabrechnung in die Ausschlusswirkung der in Ziff. 4 getroffenen Regelung einbeziehen wollen, hätte nichts näher gelegen, als sich auf eine Ausgleichsklausel zu einigen, nach der...