Leitsatz (amtlich)
1. Nach dem für Erbfälle vor dem 1. Januar 2010 geltenden Recht verjährten Pflichtteilsansprüche des nichtehelichen Kindes nach seinem Vater auch dann spätestens in 30 Jahren von dem Eintritt des Erbfalls an, wenn die Vaterschaft erst nach Ablauf dieser Frist gerichtlich festgestellt wurde.
2. § 2332 Abs. 1 BGB verstieß in den bis zum 31.12.2009 geltenden Fassungen weder gegen das Grundgesetz noch gegen Art. 14 EMRK.
Normenkette
BGB §§ 1600d, 2332 a.F.
Verfahrensgang
LG Krefeld (Aktenzeichen 5 O 284/15) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 14.04.2016 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld - 5 O 284/15 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
I.
Die Klägerin macht gegen den beklagten Testamentsvollstrecker im Wege der Stufenklage einen Anspruch auf Zahlung des Pflichtteils geltend.
Die Klägerin, geboren am 31.12.1951, ist die nichteheliche Tochter des am 08.11.1977 verstorbenen Herrn I W (im Folgenden Erblasser genannt). Die Vaterschaft des Erblassers wurde durch seit dem 04.11.2014 rechtskräftigen Beschluss des Amtsgerichts Krefeld vom 29.09.2014 (Aktenzeichen 63 F 229/12) festgestellt. Der Erblasser war zum Zeitpunkt seines Todes mit Frau F W verheiratet. Er hatte außer der Klägerin keine weiteren Abkömmlinge und seine Ehefrau mit Testament vom 13.10.1976 zur Alleinerbin eingesetzt.
Die Ehefrau des Erblassers verstarb am 23.12.2012. Sie hatte mit notariellem Testament vom 02.03.1999 eine bis dahin nicht existente "F-W-Stiftung" zu ihrer alleinigen Erbin eingesetzt. Im Testament ist bestimmt, dass sie die Stiftung von Todes wegen errichte. Der Stiftungszweck ist in dem Testament näher dargelegt und es wird auf eine Satzung verwiesen. In § 4 des Testaments, hinsichtlich dessen näheren Inhaltes ergänzend auf die Akte verwiesen wird (Bl. 10 ff. GA), hatte sie den Beklagten als Ersatztestamentsvollstrecker eingesetzt. Der Beklagte nahm das Amt an.
Die Klägerin forderte den Beklagten außergerichtlich zur Auskunft über den Nachlass des Erblassers auf. Der Beklagte erhob daraufhin mit Schreiben seiner Prozessvertreter vom 21.07.2015 die Einrede der Verjährung.
Die Klägerin hat im Wesentlichen gemeint, dass der Pflichtteilsanspruch nach ihrem Vater nicht verjährt sei. Ein Anspruch verjähre nicht vor seiner Entstehung, die aber voraussetze, dass der Anspruch im Wege der Klage geltend gemacht werden könne. Das sei vorliegend angesichts der Regelung des § 1600d Abs. 4 BGB nicht vor der Feststellung der Vaterschaft der Fall gewesen.
Der Beklagte hat gemeint, dass der geltend gemachte Pflichtteilsanspruch verjährt sei. Aufgrund der gem. § 199 Abs. 3a BGB a.F. kenntnisunabhängigen Verjährungsfrist seien erbrechtliche Ansprüche mit Ablauf des 08.11.2007 endgültig verjährt. Dem stehe nicht entgegen, dass die Vaterschaft des Erblassers erst am 29.04.2014 rechtskräftig festgestellt worden sei. Die absolute Verjährungsfrist des § 199 Abs. 3a BGB a.F. beginne ab dem Zeitpunkt des Erbfalles. Sinn und Zweck der Regelung sei es, dass nach dieser Zeit Rechtsfrieden eintrete. Darüber hinaus wären etwaige Pflichtteilsrechte auch verwirkt, da die Klägerin im Vaterschaftsverfahren ausdrücklich erklärt habe, lediglich an einer Feststellung der Abstammung interessiert zu sein, da sämtliche eventuellen Erbansprüche verjährt seien.
Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen sowie der gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ergänzend auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Stufenklage insgesamt abgewiesen und dies damit begründet, dass der Klägerin bereits kein durchsetzbarer Anspruch zustehe. Ein etwaiger Anspruch sei verjährt. Zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers am 08.11.1977 habe die Vorschrift des § 1934a BGB noch Geltung gehabt, wonach dem nichtehelichen Kind neben ehelichen Abkömmlingen oder dem Ehegatten des Vaters ein Erbersatzanspruch in Höhe des Erbteils zugestanden habe. Gem. § 1934b BGB verjähre dieser Anspruch kenntnisunabhängig spätestens dreißig Jahren nach dem Eintritt des Erbfalles, sodass er zum Zeitpunkt der Feststellung der Vaterschaft bereits verjährt gewesen sei.
Die Klägerin wendet sich gegen die Abweisung der Klage und verfolgt ihre Ansprüche gegen den Beklagten im Berufungsverfahren weiter. Sie trägt im Wesentlichen vor:
Das Landgericht hätte berücksichtigen müssen, dass sie bei Anwendung des § 1934b BGB i.V.m. § 199 Abs. 3a BGB in ihren Grundrechten beeinträchtigt werde, und das Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit vorlegen müssen. In der Klageabweisu...