Leitsatz (amtlich)

1. Miet- und Pachtverträge unterscheiden sich im Wesentlichen durch die über die bloße entgeltliche Überlassung hinaus vereinbarte Fruchtziehung.

2. Auch nach Vertragsschluss liegende Ereignisse sind zum Verständnis von Willenserklärungen heranzuziehen, wenn sie den Rückschluss auf das von den Vertragsparteien bei Vertragsschluss wirklich Gewollte zulassen.

3. Ein Verpächter muss sich trotz fortbestehenden Pachtverhältnisses anderweitige Einnahmen aus der Überlassung der Pachtsache an Dritte anrechnen lassen.

 

Normenkette

BGB §§ 581, 535, 157

 

Verfahrensgang

LG Kleve (Urteil vom 05.08.2009; Aktenzeichen 2 O 31/09)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das am 5.8.2009 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des LG Kleve teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt, an den Kläger 10.675,00 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 6.860 EUR seit dem 1.12.2008 zu zahlen.

Die Kosten des ersten Rechtszuges tragen der Kläger zu 40 % und der Beklagte 60 %, die des zweiten Rechtszuges der Kläger zu 2/3 und der Beklagte zu 1/3.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Das LG, auf dessen Tatbestand im Übrigen Bezug genommen wird, hat den Beklagten nach der vom Kläger am 24.11.2008wegen Zahlungsverzugs außerordentlich erklärten Kündigung des beiderseits unterzeichneten, aber nicht, wie beabsichtigt, per 1.8.2008 vollzogenen "Mietvertrags" über die auf dem Anwesen des Klägers gelegene Reithalle (Nettomiete 1.500 EUR + 19 % MWSt = 1.785 EUR + Betriebskostenvorauszahlung 285 EUR = 2.000 EUR/mtl) wie folgt verurteilt:

Tabelle 1

Zeile

Position

Zw.-Rechng/EUR

Antrag/EUR

LGU/EUR

01

"Kaution" (Darlehen)

6.000,00

6.000,00

02

Miete/netto 08-11/08 (4 × 1.500 EUR)

6.000,00

03

19 % MWSt aus Zeile 02 (4 × 215 EUR)

860,00

04

BKV

1)

08-11/08 (4 × 285 EUR)

1.140,00

05

Sa. Miete 08-11/08

8.000,00

8.000,00

8.000,00

06

NE

1)

12/08-02/09/Schadensers.(3 × 1.500 EUR)

4.500,00

4.500,00

07

19 % MWSt aus Zeile 06 (3 × 285 EUR)

855,00

0,00

08

Schadensminderung/anderw. Einnahmen

0,00

- 685,00

09

Summen

19.355,00

17.815,00

Legende:

1) BKV = Betriebskostenvorauszahlung

2) NE = Nutzungsentschädigung

Der Kläger nimmt die Teilabweisung der Klage (Tab. 1, Zeilen 07, 08) hin.

Der Beklagte greift das Urteil in vollem Umfange an. Er macht hauptsächlich geltend, der hier vorliegende "Mietvertrag" sei (ebenso, wie der über die "westliche Vorburg") nicht wirksam zustande gekommen. Es fehlten nämlich die Unterschriften seiner beiden Mitunternehmerinnen, die als Geschäftsführerin (Frau F.) bzw. als Pferdefachtrainerin (Frau K.) an der im "Mietobjekt" zu betreibenden Unternehmung (Seminare und Coachings "powered by horse") vereinbarungsgemäß hatten beteiligt (künftig: Mitunternehmerinnen) und deshalb auch "Mitmieterinnen" hatten werden sollen. Hilfsweise hat er geltend gemacht:

  • Wegen der Kündigung des Vertrags habe der Kläger keinen Anspruch mehr auf die "Kaution" (Tab. 1, Zeile 01); vielmehr müsse er seinen behaupteten Schaden endgültig abrechnen.
  • Wegen eingetretener Abrechnungsreife könne der Kläger keine Betriebskostenvorauszahlungen (Tab. 1, Zeile 04) mehr beanspruchen.
  • Der Kläger müsse sich sehr viel mehr anderweitige Einnahmen als die vom LG berücksichtigten (Tab. 1, Zeile 08) anrechnen lassen, und zwar nicht nur für die Zeit ab Dezember 2008, sondern auch für die Monate August bis November 2009.

Der Beklagte beantragt, unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger, der seine klageerweiternd eingelegte Anschlussberufung (26.565,71 EUR nebst Zinsen) wieder zurückgenommen hat, beantragt

Zurückweisung der Berufung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II. Das zulässige Rechtsmittel hat nur einen Teilerfolg. Der Beklagte ist in Höhe eines Teilbetrags von 10.675,00,00 EUR zu Recht verurteilt worden. In diesem Umfange muss das angefochtene Urteil aufrechterhalten bleiben. Wegen des darüber hinaus gehenden Betrags von 7.140,00 EUR ist die Verurteilung nicht gerechtfertigt. In diesem Umfange ist das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

1. Der Beklagte schuldet dem Kläger zusammengefasst die folgenden Positionen:

Tabelle 2

Zeile

Position

Betrag/ EUR

01

"Kaution" (Darlehen)

0,00

02

Pacht/netto 08-11/08 (4 × 1.500 EUR)

6.000,00

03

19 % MWSt aus Zeile 02 (4 × 215 EUR)

860,00

04

BKV 08-11/08 (4 × 285 EUR)

0,00

05

Schadensers. 12/08-02/09 (3x 1.500 EUR)

4.500,00

06

Schadensminderung/anderw. Einnahmen

-685,00

07

Summe

10.675,00

2. Der Vertrag, bei dem es sich wegen der mitvereinbarten Fruchtziehung (vgl. § 100 BGB) der Sache nach nicht um einen Miet-, sondern um einen Pachtvertrag i.S.d. § 581 Abs. 1 BGB handelt (vgl. BGH ZMR 1981, 306; MDR 1991, 1063 m.w.N.; OLG Düsseldorf ZMR 2009, 443 [juris Tz. 12]; MDR 2008, 1029 [juris Tz. 16]), ist entgegen dem vom Beklag...

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