Leitsatz (amtlich)
1. § 513 Abs. 2 ZPO findet auch im einstweiligen Verfügungsverfahren Anwendung; dem steht § 937 Abs. 1 ZPO nicht entgegen.
2. Eine vergleichende Werbung mit dem Ergebnis einer von einem unabhängigen Dritten durchgeführten Kundenbefragung ist nicht allein deswegen unlauter im Sinne des § 6 Abs. 2 Nr. 2 UWG, weil die Antworten der befragten Kunden subjektive Einschätzungen enthalten.
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Aktenzeichen 38 O 122/20) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das am 18.12.2020 verkündete Urteil der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf, Az. 38 O 122/20, abgeändert. Unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen werden die Ziffern 2), 3), 4) und 5) der Beschlussverfügung der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf vom 14.07.2020 aufgehoben und der Antrag der Verfügungsklägerin vom 13.07.2020 auf Erlass einer dahingehenden einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.
II. Die Kosten der Berufung haben die Verfügungsklägerin zu 40 % und die Verfügungsbeklagte zu 60 % zu tragen. Die Kosten erster Instanz haben - in Abänderung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung - die Verfügungsklägerin zu 45 % und die Verfügungsbeklagte zu 55 % tragen.
Gründe
I. Von einer Darstellung des Sachverhaltes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1, 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO abgesehen.
II. Die zulässige Berufung der Verfügungsbeklagten hat in der Sache teilweise Erfolg. Die Anträge der Verfügungsklägerin sind zulässig. Begründet sind indes nur die Anträge gemäß Ziffer 1), 6), 7), 9) und 10) der einstweiligen Verfügung vom 14.07.2020 (Bl. 38 ff. d. GA), bestätigt durch das angefochtene Urteil vom 18.12.2020 (Bl. 182 ff. d. GA). Insoweit ist die Berufung der Verfügungsbeklagten unbegründet. Soweit das Landgericht darüber hinaus die Verfügungsbeklagte gemäß den Ziffern 2), 3), 4) und 5) zur Unterlassung verurteilt hat, ist die Berufung hingegen begründet.
1) Die Berufung der Verfügungsbeklagten ist hinsichtlich der erhobenen Rüge der örtlichen Zuständigkeit im Hinblick auf den Antrag zu 5) und des (vermeintlich) fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses für die Anträge zu Ziffer 2) und Ziffer 3) unbegründet.
a) Die Annahme des Landgerichts, es sei gem. §§ 937 Abs. 1 ZPO, 14 Abs. 2 S. 1 UWG auch insoweit örtlich zuständig, als dass die Verfügungsklägerin ihren Antrag zu 5) auch auf die Plakatwerbung der Verfügungsbeklagten gem. Anlage K 8 gestützt hat, kann vom Senat nicht überprüft werden.
aa) Nach § 513 Abs. 2 ZPO kann die Berufung nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat. Dem Berufungsgericht ist damit insbesondere die Prüfung, ob das Erstgericht seine örtliche Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat, untersagt (OLG Düsseldorf [20. Zs.], Urt. v. 16.12.2021, 20 U 83/21; OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 27.10.2016, 6 U 105/16, BeckRS 2016, 112916; BeckOK ZPO/Wulf, 42. Ed. 01.09.2021, ZPO § 513 Rn. 8; Cassardt in: Cepl/Voß, Prozesskommentar zum Gewerblichen Rechtsschutz, 2. Aufl. 2018, § 513 ZPO, Rn. 9; MüKoZPO/Rimmelspacher, 6. Aufl. 2020, ZPO § 513 Rn. 18; Musielak/Voit/Ball, 18. Aufl. 2021, § 513 ZPO, Rn. 6; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 41. Aufl. 2020, § 513 Rn. 3; Schulte/Rinken, Patentgesetz mit EPÜ, 11. Auflage 2022, § 143 PatG, Rn. 20).
bb) Die Vorschrift des § 513 Abs. 2 ZPO findet auch im einstweiligen Verfügungsverfahren Anwendung (OLG Düsseldorf [20. Zs.], Urt. v. 16.12.2021, 20 U 83/21; OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 08.10.2021, 6 W 83/21; OLG Düsseldorf [2. Zs.], Urt. v. 31.08.2017, 2 U 6/17, BeckRS 2017, 125978; OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 27.10.2016, 6 U 105/16, BeckRS 2016, 112916; BeckOK ZPO/Wulf, a.a.O., Rn. 8; Büscher/Schmidt, UWG, 2. Aufl. 2021, § 12 UWG, Rn. 170; Cassardt in: Cepl/Voß, a.a.O, Rn. 11). Sie wird nicht durch § 937 Abs. 1 ZPO verdrängt (in diesem Sinne: OLG Hamm, Urt. v. 27.02.2012, 8 U 261/11, BeckRS 2012, 9702; OLG Hamburg, Urt. v. 17.04.1997, 3 U 194/96, BeckRS 1997, 15846; MüKoZPO/Rimmelspacher, a.a.O. Rn. 23; Zöller/Heßler, ZPO, 34. Aufl., § 513 Rn. 9).
Eine Norm, die die Nichtanwendbarkeit des § 513 Abs. 2 ZPO in Eilverfahren und/oder einen (generellen) Vorrang des § 937 Abs. 1 ZPO statuiert, findet sich in der ZPO nicht. Insbesondere § 513 Abs. 2 ZPO enthält keinerlei dahingehende Einschränkungen. Solche erwachsen auch nicht aus dem Zweck des Rügeausschlusses. Nach der Gesetzesbegründung sollen mit Hilfe des § 513 Abs. 2 ZPO zur Verfahrensbeschleunigung und Entlastung der Berufungsgerichte Rechtsmittelstreitigkeiten, die allein auf die Frage der Zuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichts gestützt werden, vermieden werden. Die Regelung soll zugleich vermeiden, dass die von dem erstinstanzlichen Gericht geleistete Sacharbeit wegen fehlender Zuständigkeit hinfällig wird (BT-Drs. 14/4722, 94). Diese Ziele beanspruchen grundsätzlich für jedes Berufungsverfahren Geltung. Dass und weshalb von diesen Zielen (gleichwohl) in Eilverfahren abgewichen werden sollte, ist der Ges...