Verfahrensgang

LG Krefeld (Aktenzeichen 5 O 122/21)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 17.02.2022 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.131,76 EUR und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 605,34 EUR jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit dem 12.07.2021 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Sie führt zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang.

Dem Kläger steht gemäß §§ 311 Abs. 2, 280 BGB ein Anspruch auf Rückzahlung von 1.113,60 EUR, 1.252,80 EUR, 974,40 EUR und 2.320,00 EUR zu. Zudem kann er Erstattung von 470,96 EUR, die er für die Bezahlung der Rechnung der Vermessungsingenieure aufgewendet hat, beanspruchen. Der Beklagte hat den Kläger pflichtwidrig nicht darüber aufgeklärt, dass er kein Architekt ist. Infolge dieser Pflichtverletzung ist dem Kläger ein Schaden in Höhe der vorgenannten Beträge entstanden.

1.Der Beklagte ist weder in die Architektenliste eingetragen, noch verfügt er über die notwendigen Qualifikationen, um in die Architektenliste eingetragen werden zu können. Der Beklagte hat lediglich vorgetragen, Architektur studiert zu haben; er hat trotz des dies bestreitenden Vortrags des Klägers nicht geltend gemacht, das Studium erfolgreich abgeschlossen zu haben.

Hierüber hätte er den Kläger aufklären müssen. Ob eine Offenbarungspflicht besteht, ist nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung des jeweiligen Geschäftsbereichs zu beurteilen. Dabei spricht es für die Annahme einer Offenbarungspflicht, wenn die zu offenbarenden Umstände für den anderen Teil offenbar von ausschlaggebender Bedeutung sind und wenn durch den Vertragsschluss ein besonderes persönliches Treue- oder Vertrauensverhältnis begründet werden soll (MüKoBGB/Armbrüster, 9. Aufl. 2021, BGB § 123 Rn. 35). Unter Berücksichtigung dieser Aspekte muss ein Auftragnehmer vor der Beauftragung von Architektenleistungen dem Auftraggeber offenbaren, dass er kein Architekt ist und ihm so die Entscheidung ermöglichen, ob unter diesen Umständen ein Vertrag abgeschlossen werden soll (OLG Oldenburg, Urt. v. 21.05.2015 - 3 U 71/13, BauR 2014, 2108 [juris-Rn. 115]; OLG Nürnberg, Urt. v. 12.09.1997 - 6 U 2235/96; Senat, Urt. v. 05.02.1993 - 22 U 235/92, NJW-RR 1993, 1173; LKF/Koeble, HOAI, 15. Aufl., § 1 Rn. 26 mit weiteren Nachweisen). Die Eintragung als Architekt ist für den Auftraggeber von Architektenleistungen von entscheidender Bedeutung. Sie bietet Gewähr für die Qualifikation des Auftraggebers. Der eingetragene Architekt unterliegt zudem zahlreichen Standespflichten, die dem Schutz seines Auftraggebers dienen. Schließlich muss der eingetragene Architekt versichert sein. Insbesondere den zuletzt genannten Aspekt lässt das Landgericht außer Acht und gelangt so zu der unzutreffenden Wertung, ein schützenswertes Interesse des Klägers sei nicht berührt gewesen. Die von dem Landgericht zitierte Entscheidung des OLG Stuttgart (Urt. v. 17.12.1996 - 10 U 130/96, BauR 1997, 681) ist nicht vergleichbar; dort hatte der Auftraggeber aus den Plänen ersehen können, dass der Auftragnehmer kein Architekt war (juris-Rn. 6). Die weitere von dem Landgericht angeführte Entscheidung (OLG Hamburg, Urt. v. 16.08.1996 - 14 U 112/93, OLGR 1996, 306) betrifft den Fall, dass der Auftragnehmer bauvorlageberechtigt ist.

Die Offenbarungspflicht setzt nicht voraus, dass sich der Auftragnehmer als eingetragener Architekt geriert (dann liegt schon eine aktive Täuschung vor). Sie greift vielmehr schon dann ein, wenn ein Auftraggeber Leistungen nachfragt, wie sie üblicherweise von einem Architekten erledigt werden, weil für ihre Erbringung besondere Sachkunde notwendig ist.

Nach Maßgabe dieser Grundsätze hätte der Beklagte offenbaren müssen, dass er kein Architekt ist. Schon in seiner ersten E-Mail vom 07.09.2020 hat der Kläger Architektenleistungen nachgefragt. Er hat auf den bereits eingeholten Vorbescheid und die Notwendigkeit eines Bauantrags verwiesen. Er hat einen Grundriss beigefügt, in dem er seine Änderungswünsche grafisch skizziert hat. Er hat auf Beratungsbedarf wegen Sanierungsmaßnahmen an Dach und Fassade hingewiesen. Er hat zu seinen Umbauwünschen die Frage aufgeworfen, ob diese statisch und wirtschaftlich machbar sind. In weiteren E-Mails vom 11.09.2020 und 17.09.2020 hat er vorhandene Pläne und Statiken übersandt. Schließlich hat er dem Beklagten mit E-Mail vom 27.09.2020 seine Bauvoranfrage und den Vorbescheid der Stadt Viersen zur Verfügung gestellt. Mit Schriftsatz vom 02.02.2023 bestätigt der Beklagte, dass der Kläger Planungsleistungen nachgefragt hat. Denn danach sollte er die Möglichkeiten von Umbaumaßnahmen prüfen und darstellen. Das ist Planung.

Aus den vorgenannten Schreiben folgt zugleich, dass die Dars...

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