Leitsatz (amtlich)
›1. Wenn der Gläubiger eine ihm gestellte Bürgschaft zu Unrecht in Anspruch nimmt oder das Recht zu deren Inanspruchnahme nachträglich wegfällt, ist er dem Schuldner wegen positiver Vertragsverletzung der Sicherungsabrede oder aus dieser selbst ersatzpflichtig.
2. Durch eine Vertragserfüllungsbürgschaft werden nicht zur die Rechtzeitigkeit und die Vollständigkeit der Werkleistung, sondern auch etwaige Mängelrechte des Auftraggebers gesichert.
3. Wann die Verpflichtungen aus einer Vertragserfüllungsbürgschaft enden (hier: mit der Abnahme des Werks), hängt von den getroffenen Vereinbarungen und den Umständen des Einzelfalls ab.‹
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Zahlung von 619.620,72 DM wegen unberechtigter Inanspruchnahme einer Bürgschaft sowie restlichen Werklohn in Höhe von 139.676,24 DM. Durch Vertrag vom 15.6.1993 (Anlage K 1) erhielt sie von der Beklagten den Auftrag, ein Lagerverwaltungssystem zum Preis von 1,75 Millionen DM zuzüglich Umsatzsteuer zu erstellen. Nach Pos. 7.0 des Vertrages war u.a. die Installation eines Lagerverwaltungsrechners auf der Grundlage einer Standardsoftware der Klägerin vorgesehen. Die Anlage sollte am 1.3.1994 fertiggestellt sein (Nr. 18 des Vertrages). Ferner sollte die Klägerin der Beklagten verschiedene Bürgschaften stellen; hierzu heißt es unter Nr. 27 des Vertrages "Bürgschaften
Firma K. gibt an Firma Z. eine Bürgschaft zeitlich begrenzt einer inländischen Bank (oder vergleichbares Institut) in Höhe der Vorauszahlung von 10 % des Auftragswertes (Fälligkeit innerhalb 14 Tagen nach Vertragsunterzeichnung), sowie für die nächste Zahlungsanforderung von 20 % der Auftragssumme (fällig am 01.09.93), sowie für die 3. Abschlagszahlung in Höhe von 20 % der Auftragssumme (fällig am 01.10.93). Diese Bankbürgschaften erlöschen am 15.11.93. Eine Fertigstellungsbürgschaft in Höhe von 30 % der Auftragssumme, die zeitlich begrenzt bis zum Übergabetermin, spätestens bis zum 05.03.94 stattfindet, ist bei der Zahlungsaufforderung vom 0110.93 beizufügen. Für die Garantielaufzeit von 18 Monaten ab Endabnahme ist eine Gewährleistungsbürgschaft zu stellen. Gegen diese Gewährleistungsbürgschaft wird der Restbetrag (Sicherungseinbehalt) in Höhe von 10 % ausbezahlt."
Unter dem 30.9.1993 erhielt die Beklagte eine Bürgschaftsurkunde (Anlage K 6) der Südwestdeutschen Genossenschaftszentralbank AG (nachfolgend: SGZ-Bank) in Höhe von 619.620,72 DM, in der es unter anderem heißt:
"2. Für die Ausführung der dem Auftragnehmer übertragenen Lieferungen/Leistungen übernimmt die Bank hiermit gegenüber dem Auftraggeber unter Verzicht auf die Einrede der Anfechtung, der Aufrechnung und der Vorausklage (§§ 770, 771 BGB) die selbstschuldnerische Bürgschaft bis zum Höchstbetrag von 619.620,72 DM ... mit der Maßgabe, daß die Bank aus dieser Bürgschaft nur auf Zahlung in Geld in Anspruch genommen werden kann.
Diese Bürgschaft umfaßt nicht Ansprüche auf Rückzahlung geleisteter Vorauszahlungen und auf fristgerechte Erfüllung der dem Auftragnehmer obliegenden Mängelgewährleistung.
3. Die Verpflichtungen der Bank aus dieser Bürgschaft erlöschen mit der Abnahme der vereinbarten Lieferung/Leistung oder mit der Rückgabe dieser Bürgschaftsurkunde, spätestens jedoch - insoweit abweichend von § 777 BGB -, wenn die Bank nicht bis zum 05.03.1994 aus dieser Bürgschaft in Anspruch genommen worden ist."
Ebenfalls unter dem 30.9.1993 (Anlage K 62, Bl. 394 GA) schrieb die SGZ-Bank der Beklagten folgendes:
"ergänzend zu der oben angeführten Bürgschaft bestätigen wir
1. Die Bank wird aus dieser Bürgschaft auf erstes schriftliches Anfordern Zahlung leisten, sofern der Auftraggeber Verpflichtungen nicht nachgekommen ist.
2. gleichzeitig wird zu Punkt 2 folgender Textteil gegenstandslos: Diese Bürgschaft umfaßt nicht Ansprüche auf fristgerechte Erfüllung der dem Auftragnehmer obliegenden Mängelgewährleistung.
Dieses Schreiben wird damit wesentlicher Bestandteil unserer Bürgschaftsurkunde ... vom 30.09.1993 ..."
Der in der Bürgschaft angegebene Endtermin wurde auf Bitten der Beklagten mehrfach hinausgeschoben, letztmals bis zum 21.12.1994 (Schreiben der SGZ-Bank vom 7.12.1994, Bl. 239 GA).
Im Juni 1994 traten im Bereich der Rechneranbindung der Lagerverwaltungs-EDV an die vorhandene EDV der Beklagten Probleme auf. Wegen der diesbezüglichen Meinungsverschiedenheiten trafen die Parteien am 12.9.1994 eine Vereinbarung (Anlage K 5). Auch in der Zeit danach kam es zu Differenzen über die Qualität der von der Klägerin erbrachten Leistungen. Mit Schreiben vom 21.12.1994 (Anlage K 7) äußerte die Beklagte den Wunsch nach einer Verlängerung der Bürgschaft bis zum 28.2.1995. Ferner kündigte sie an, die Bürgschaftssumme anderenfalls bis 14.30 Uhr abzurufen, und setzte der Klägerin eine Fertigstellungsfrist bis zum 28.2.1995. Tatsächlich nahm sie die SGZ-Bank am 21.12.1994 aus der Bürgschaft in Höhe von 619.620,72 DM in Anspruch. Diese nahm ihrerseits Anfang 1995 bei der Klägerin Rückgriff (Las...