Leitsatz (amtlich)
1. Zur Glaubhaftmachung des für den Erlass einer einstweiligen Verfügung notwendigen hinreichend sicheren Rechtsbestandes bedarf es bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände ausnahmsweise keiner positiven Rechtsbestandsentscheidung. In dieser Situation genügt es, wenn aus Sicht des Verletzungsgerichts die Patentfähigkeit positiv zu bejahen ist oder - mit Rücksicht auf die im Rechtsbestandsverfahren geltende Beweisverteilung - die Frage der Patentfähigkeit mindestens ungeklärt bleibt, so dass das Verletzungsgericht, wenn es in der Sache selbst zu befinden hätte, den Rechtsbestand zu bejahen hätte.
2. Der Geschäftsführer, der nach interne Zuständigkeitsverteilung des Unternehmens nicht für die Herstellung und/oder den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform zuständig ist, ist ab dem Zeitpunkt der positiven Kenntnis von der Schutzrechtsverletzung gehalten, alles ihm tatsächlich und rechtlich mögliche zu unternehmen, die nunmehr bekannte Verletzung des Verfügungspatents in Zukunft zu verhindern. Dieser Pflicht kann er sich nicht mit dem bloßen Hinweis auf die interne Zuständigkeitsverteilung entledigen.
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Aktenzeichen 4a O 66/17) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Verfügungsklägerin hin wird das Urteil der 4a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 18.07.2017, Az. 4a O 66/17, teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
1. Den Verfügungsbeklagten wird im Wege der einstweiligen Verfügung untersagt,
auswechselbare Rasierklingeneinheiten mit einer Klingeneinheit und mit einer Einheitenverbindungsstruktur zur Verbindung der genannten Klingeneinheit mit einem Handstück, wobei die genannte Verbindung bewirkt wird durch die Bewegung des genannten Handstücks entlang einer Verbindungsachse in Richtung der genannten Einheitenverbindungsstruktur, wobei die genannte Einheitenverbindungsstruktur einen Eingang aufweist, wobei der genannte Eingang in eine Richtung ausgerichtet ist, die parallel zu der Verbindungsachse ist,
in Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
dadurch gekennzeichnet, dass die genannte Einheitenverbindungsstruktur einen Ausschnitt aufweist, der als eine Keilnut (keyway) zur Aufnahme einer zusammenpassenden Keilstruktur (mating key structure) an dem genannten Handstück funktionsfähig ist, wenn das genannte Handstück entlang der genannten Verbindungsachse bewegt wird, um die ordnungsgemäße Ausrichtung des genannten Handstücks zu fördern,
wobei der genannte Ausschnitt an dem genannten Eingang angeordnet ist,
wobei der genannte Eingang und der genannte Ausschnitt einen behinderungsfreien Durchgang für die genannte zusammenpassende Keilstruktur (mating key structure) bereitstellen, wenn die genannte Einheit mit dem genannten Handstück verbunden wird.
2. Den Verfügungsbeklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das gerichtliche Verbot gemäß Ziffer 1. als Zwangsvollstreckungsmaßnahme ein Ordnungsgeld bis zu EUR 250.000,00 - ersatzweise Ordnungshaft - oder eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, angedroht, wobei die Ordnungshaft im Falle der Verfügungsbeklagten zu 1), zu 7) und zu 8) an ihren jeweiligen gesetzlichen Vertretern zu vollstrecken ist.
3. Der Verfügungsbeklagten zu 1) wird aufgegeben, die unter Ziffer 1. bezeichneten Rasierklingeneinheiten, die sich in ihrem Besitz oder Eigentum befinden, an einen Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Verwahrung herauszugeben, wobei die Verwahrung andauert, bis über das Bestehen eines Vernichtungsanspruchs zwischen den Parteien rechtskräftig entschieden oder eine einvernehmliche Regelung herbeigeführt worden ist.
II. Die Berufung der Verfügungsbeklagten zu 1), 3), 4), 5), 6), 7) und 8) gegen das Urteil der 4a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 18.07.2017, Az. 4a O 66/17, wird zurückgewiesen.
III. Der Verfügungsbeklagte zu 2) ist infolge der Rücknahme der Berufung des Rechtsmittels verlustig gegangen.
IV.Die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz tragen die Verfügungsbeklagten.
Gründe
A. Von einer Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO i. V. m. § 542 Abs. 2 S. 1 ZPO abgesehen.
B. Die zulässige Berufung der Verfügungsbeklagten zu 1), 3), 4), 5), 6), 7) und zu 8) hat in der Sache keinen Erfolg. Die zulässige Berufung der Verfügungsklägerin ist begründet.
I. Die Berufung der Verfügungsbeklagten zu 1), 3), 4), 5), 6), 7) und zu 8) [nachfolgend, sofern alle gemeint sind, nur als "die Verfügungsbeklagten" bezeichnet] ist zulässig, jedoch unbegründet.
1) Die Verfügungsklägerin hat, wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, einen Verfügungsanspruch glaubhaft gemacht. Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht Anspruch 1 des Verfügungspatents wortsinngemäß. Der Verfügungsklägerin stehen deshalb die vom Landgericht ausgesprochenen und als solche nicht von den Verfügungsbeklagten angegriffenen Rechtsfolgen zur Seite.
a) Das Verfü...