Leitsatz (amtlich)
1. Der Insolvenzverwalter, der sich gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO auf die Unwirksamkeit der Aufrechnung beruft, kann die ursprünglich durch die Aufrechnung erloschenen Ansprüche des Schuldners für die Insolvenzmasse einklagen und den Aufrechnungseinwand mit der Gegeneinrede der Anfechtbarkeit abwehren.
2. Die objektive Gläubigerbenachteiligung ist im Rahmen der Prüfung des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO, der die Masse vor dem gerade durch die Aufrechnung entstehenden Vermögensverlust schützen will, nicht auf die Rechtshandlung zu beziehen, welche die Anfechtbarkeit nach sich zieht, sondern auf die unmittelbaren Folgen der Aufrechnung, d.h. den Verlust der Passivforderung der künftigen Masse.
3. Beziehen sich die Verrechnungen des Factors nicht auf die jeweils gekauften und abgetretenen Forderungen, sondern sollen sie rückständige Verbindlichkeiten ausgleichen, die bereits früher durch den Ankauf anderer (Schein-)Forderungen entstanden waren, erfolgen sie nicht im Rahmen der auf einen unmittelbaren Leistungsaustausch gerichteten Vereinbarungen des Vertrages, so dass sie nicht als Bargeschäft/bargeschäftsähnlicher Leistungsaustausch privilegiert sein können.
4. Liegt hinsichtlich der eingeklagten (Passiv-)Forderung eine im Inland zu zahlende Fremdwährungsschuld iSd § 244 Abs. 1 BGB vor und widerspricht der (Anfechtungs-)Gegner einer Zahlung in Euro, ist eine Klageänderung auch noch in der Berufungsinstanz sachdienlich und damit zulässig iSd § 533 Nr. 1 2. Alt. ZPO.
Normenkette
BGB § 244 Abs. 1; InsO a.F. § 96 Abs. 1 Nr. 3, § 142; ZPO §§ 263, 533 Nr. 1 2. Alt.
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Aktenzeichen 13 O 167/17) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 29.08.2018 verkündete Urteil der 13. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf (13 O 167/17) wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass
die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger GBP (Britische Pfund) 688.008,67 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz für den Zeitraum vom 26.07.2013 bis zum 04.04.2017 sowie seit dem 27.06.2017 zu zahlen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
Die Parteien streiten über Rückgewähransprüche wegen insolvenzrechtlich anfechtbar erlangter Beträge.
Der Kläger ist aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts L. vom 25.07.2013 (Az. ...), mit dem aufgrund eines Eigenantrags vom 03.05.2013 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der M. GmbH (im Folgenden: Schuldnerin) eröffnet wurde, deren Insolvenzverwalter.
Die Schuldnerin sowie ihre Schwestergesellschaft MK, deren beider Geschäftsführer D. war, waren im Handel und der Verarbeitung von Fleisch- und Wurstwaren tätige Unternehmen. Ihre Waren bezogen sie ausschließlich von der W. (Bl. 39, 44 GA) und vertrieb sie vornehmlich in Großbritannien.
Die Schuldnerin, die MK und die seinerzeit noch unter "F. GmbH" firmierende Beklagte waren durch einen "Forderungskaufvertrag" (im Folgenden: Vertrag) vom 17.09.2010, geändert am 12.12.2011 verbunden. Gemäß § 1 des Vertrages waren die Schuldnerin und die MK verpflichtet, ihre künftig entstehenden Forderungen aus Warenlieferungen und Dienstleistungen gegen ihre sämtlichen Kunden mit Sitz in Großbritannien fortlaufend der Beklagten zum Kauf anzubieten. Die Beklagte war gemäß § 2 des Vertrages im Gegenzug bis zu einem Höchstbetrag verpflichtet, das Kaufangebot anzunehmen, wenn die zum Kauf angebotene Forderung den vertraglichen Bedingungen entsprach. Insbesondere durften nur solche Forderungen angeboten werden, auf die Lieferungen und Leistungen bereits vollständig erbracht waren. Der Kaufpreis war gemäß § 3 des Vertrages der Betrag der tatsächlich bestehenden Forderung der Schuldnerin gegen den jeweiligen Debitor abzüglich eines Diskonts, der aus dem Zwischenzins für die tatsächliche Laufzeit der Forderung und einem Factoringentgelt bestand. In Erfüllung der Verkaufsverpflichtung trat die Schuldnerin gemäß § 4 des Vertrages der Beklagten im Voraus die o.g. Forderungen unter der aufschiebenden Bedingung des Forderungskaufs ab. Gemäß § 6 Abs. 2 des Vertrages garantierte die Schuldnerin den Bestand der Forderung ("Veritätsgarantie"). Gemäß § 5 des Vertrages trug die Beklagte das Risiko der Zahlungsunfähigkeit des Debitors ("Delkredere"). Gemäß § 7 Abs. 2 des Vertrages i.V.m. Ziff. 4 der "Besonderen Vereinbarungen zum Forderungskaufvertrag" (Anlage B 3) betrug die Sicherheitsleistung für die etwaige Inanspruchnahme der Schuldnerin aus der Veritätsgarantie 10% der jeweils abgetretenen und angekauften Forderung, die bei Eingang der vollständigen Zahlung des Debitors beim Factor freizugeben war. Für ihre Verpflichtungen aus dem Forderungskaufvertrag hafteten die Schuldnerin und die MK gemäß ...