Leitsatz (amtlich)

Die Entscheidung darüber, ob ein Dokumentenakkreditiv in vollem Umfang oder lediglich teilweise gem. Art. 40 der Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumenten-Akkreditive (ERA 500) in Anspruch genommen wird, liegt bei dem Begünstigten. Die Zweitbank, welcher das Akkreditiv vorgelegt wird, ist nicht berechtigt, eine Entscheidung hierüber zu treffen. Für eine Teilinanspruchnahme genügt es daher nicht, dass ein Teil der vorgelegten Dokumente akkreditivgerecht ist und diese Dokumente selbständigen Teilen einer Gesamtlieferung zugeordnet werden können.

 

Normenkette

ERA Art. 14

 

Verfahrensgang

LG Düsseldorf (Urteil vom 13.05.2002; Aktenzeichen 1 O 259/01)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 13.5.2002 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des LG Düsseldorf wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Streithilfe werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des gegen sie jeweils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei – die Beklagte oder die Streithelferin – vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Sicherheitsleistungen können auch durch Bürgschaft eines der Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht unterliegenden Kredit-instituts erbracht werden.

 

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung von 31.855 US-Dollar mit Zinsen in Anspruch.

Die Klägerin ist ein in H. ansässiges Kreditinstitut. Die Beklagte eröffnete am 1.4.2000 im Auftrag eines Kunden, der dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetretenen R.L. GmbH & Co. KG in R.W. (im folgenden nur: R.), ein Dokumentenakkreditiv. Die Beklagte beauftragte an demselben Tag die Klägerin, die Akkreditivsumme an den in H. ansässigen Begünstigten, die V.E. Ltd. in H. (im folgenden: V.), gegen Vorlage der Dokumente auszuzahlen. Das Akkreditiv diente dazu, die Bezahlung von Warenlieferungen von V. an R. zu sichern und abzuwickeln.

In dem Akkreditiv, welches nach seiner Eröffnung mehrfach geändert wurde, heißt es auszugsweise (Anlage K1 zur Klageschrift):

Nr. 43P: PARTIAL SHIPMENTS ALLOWED (Teilverladungen erlaubt)

Nr. 46A: DOCUMENTS REQUIRED

5. INSPECTION CERTIFICATE STAMPED AND SIGNED BY APPLICANT STATING THAT THE GARMENTS HAVE BEEN APPROVED BY R. (Erforderliche Dokumente: Inspektionsbescheinigung, gestempelt und unterzeichnet vom Antragsteller mit Bestätigung, dass die Bekleidungsstücke von R. genehmigt wurden)

V. legte der Klägerin am 23.7.2000 Dokumente vor, u.a. die beiden Zertifikate gem. Anlagen K4 und K5. V. verlangte aufgrund der vorgelegten Dokumente die Auszahlung von 36.655 US-Dollar, des gesamten durch das Akkreditiv gesicherten Betrages, welchen die Klägerin an die Begünstigte des Akkreditivs auch ausgezahlt haben will (vgl. die Zahlungsbelege vom 3.8.2000 gem. Anlagen K2 und K3 sowie den Kontoauszug von V. Anlage K16).

Mit Telefax vom 3.8.2000 (Anlagen K6 und K7) erklärte die Klägerin ggü. der Beklagten, dass die Dokumente vollständig vorgelegen hätten und der Akkreditivbetrag ausgezahlt worden sei. Hierauf erwiderte die Beklagte schriftlich am 11.8.2000 (Anlage K8, vgl. die von der Klägerin vorgelegte Übersetzung in die deutsche Sprache):

„Der Antragsteller hat uns eine notariell beglaubigte eidesstattliche Versicherung überreicht, die besagt, dass die überreichten Inspektionsbescheinigungen nicht von ihm selbst oder einem offiziellen Vertreter seiner Firma ausgestellt wurden. Folglich müssen die Inspektionsbescheinigungen gefälscht sein.

Bei einem solch offensichtlichen Missbrauch sind wir nicht länger gezwungen, diese Dokumente anzuerkennen. Wir weigern uns deshalb, diese zu bezahlen.

Betreffend Ihre Kreditüberweisung über U.S. $ 4.800 … wurden die Dokumente ebenfalls verweigert, weil das Ursprungszertifikat fehlt.

Die Dokumente stehen zu Ihrer Verfügung und Ihrem Risiko; Waren werden von uns weder gelagert noch versichert. Teilen Sie uns bitte mit, was mit den Dokumenten geschehen soll.”

Die Klägerin reagierte hierauf mit Schreiben vom 14.8.2000 (Anlage K9), mit welchem sie auf die „Dokumente über U.S. $ 16.055,00” und die „Dokumente über U.S. $ 15.800,00” Bezug nahm und u.a. ausführte:

„Darüber hinaus regeln Artikel 9A und 14 der ERA 500, dass die eröffnende Bank verpflichtet ist, an die benannte Bank zu zahlen, sofern die vorgeschriebenen Dokumente vorgelegt und die Akkreditiv-Bedingungen erfüllt sind, und dass die eröffnende Bank verpflichtet ist, die benannte Bank, die die Dokumente in Übereinstimmung mit den Akkreditiv-Bedingungen negoziiert hat, zu remboursieren und die Dokumente aufzunehmen.

Teilen Sie uns doch bitte mit, ob die beiden Dokumentensätze irgendwelche Abweichungen aufweisen; falls nicht, veranlassen Sie bitte die umgehende Zahlung.”

Nach weiterem Schriftverkehr zwischen den Parteien schrieb die Beklagte unter dem 25.8.2000 an die Klägerin (An...

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