Leitsatz (amtlich)

Bei Übertragung einer nahezu das gesamte Vermögen eines Ehegatten ausmachenden Immobilie ist § 1365 BGB anwendbar, wenn der Vertragspartner die Verhältnisse kennt, aus denen sich ergibt, dass es sich dabei nahezu um das gesamte Vermögen des Verfügenden handelt. Dass ist anzunehmen, wenn es sich bei dem Begünstigten um einen nahen Angehörigen handelt, der in der Nähe des Verfügenden lebt, mit ihm in ständigem Kontakt steht und jedenfalls in groben Zügen Einblick in seine wirtschaftlichen Verhältnisse hat.

 

Verfahrensgang

LG Duisburg (Urteil vom 24.02.2014; Aktenzeichen 2 O 180/13)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das am 24.2.2014 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer - Einzelrichterin - des LG Duisburg wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 Prozent des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

 

Gründe

I. Die Parteien sind die Erben des am 17.2.2012 verstorbenen H. B. (vgl. gemeinschaftlicher Erbschein des AG Oberhausen vom 26.3.2012, Bl. 5 GA). Die Kläger zu 1 bis 3 und der Beklagte sind dessen Kinder, die Klägerin zu 4 seine Ehefrau. Die Klägerin zu 4 und der Erblasser lebten im Güterstand der Zugewinngemeinschaft.

Der Erblasser hatte die Grundbesitzung N. Straße in Oberhausen zu Lebzeiten seinerseits infolge einer Erbauseinandersetzung zu Eigentum erhalten. Dieses im Klageantrag näher bezeichnete Grundstück stand ursprünglich im Alleineigentum der Mutter des Erblassers, Frau L. B. Diese wurde mit ihrem Tode am 29.4.2008 beerbt von ihren beiden Kindern, dem jetzigen Erblasser und seiner Schwester H. P. Mit notariellem Erbauseinandersetzungsvertrag vom 9.9.2008 (Bl. 6 ff. GA) teilten diese das Erbe dahingehend untereinander auf, dass dem Erblasser das Grundstückseigentum übertragen wurde und der Tochter H. P. sämtliche Kontoguthaben. Zur Durchführung der Auseinandersetzung erklärten sie die Auflassung auf den Erblasser und bewilligten die Eintragung der Eigentumsänderung im Grundbuch. Den Wert des Grundstücks bezifferten sie mit 199.500 EUR, den der Bankguthaben mit insgesamt 78.311,62 EUR. In derselben Vertragsurkunde übertrug der Erblasser sodann das ihm zugeteilte Grundstücksvermögen schenkweise weiter auf seinen Sohn, den Beklagten.

Diese Übertragung greifen die Kläger unter dem Gesichtspunkt des § 1365 BGB wegen fehlender Zustimmung der Ehefrau zur Übertragung des Grundstücks als wesentlichem Vermögen des Erblassers an.

Zum Zeitpunkt der Grundstücksübertragung verfügte der Erblasser neben den üblichen, wertmäßig nicht ins Gewicht fallenden Haushaltsgegenständen, zumindest über weiteres Vermögen im Werte von 3.762,92 EUR, bestehend aus einem Pkw Peugeot, Baujahr 2003, Zeitwert: 1.500 EUR, Euro-Münzen im Wert von 420,48 EUR, Kontoguthaben von 314,60 EUR und 1.457,84 EUR sowie zwei Fotokameras von Lidl und Aldi mit einem Wert von 70 EUR. Die Parteien streiten darüber, ob darüber hinaus 5.000 EUR an Bargeld vorhanden waren. Der notarielle Übertragungsvertrag enthielt in Ziffer C. V. die Erklärung, soweit die Erschienenen in dieser Urkunde über Vermögensgegenstände verfügten, handele es sich nicht um den wesentlichen Teil ihres Vermögens, so dass eine Zustimmung des Ehegatten nicht erforderlich sei.

Die Kläger haben die Ansicht vertreten, bei dem übertragenen Grundstück habe es sich um das gesamte Vermögen des Erblassers im Rechtssinne des § 1365 BGB gehandelt, da er nur über ein kleines Vermögen verfügt habe und ihm nach der Übertragung weniger als 15 % des Gesamtvermögens verblieben sei. Die anders lautende Erklärung im notariellen Vertrag habe nicht den Tatsachen entsprochen sondern lediglich der subjektiven Vorstellung des Erblassers, der mit der rechtlichen Bedeutung des Begriffs des ganzen Vermögens nicht vertraut gewesen sei. Eine dahingehende ausreichende Aufklärung durch den Notar bestreiten die Kläger mit Nichtwissen.

Auch eine ausdrückliche oder konkludente Genehmigung der Übertragung durch die Klägerin zu 4 sei nicht erfolgt. Dieser sei die Schenkung zwar bekannt gewesen. Sie sei jedoch in ihrer laienhaften juristischen Vorstellung davon ausgegangen, dass ihr Ehemann als Erbe des Grundstückes hierüber frei verfügen könne, ohne dass sie selbst hierbei irgendein Mitspracherecht habe. Soweit der Beklagte behauptet hat, die Klägerin zu 4 habe nachträglich ausdrücklich ihre Billigung erklärt, haben die Kläger diesen Vortrag bestritten und zudem die Ansicht vertreten, in einer solchen Erklärung hätte allenfalls eine Meinungsäußerung, nicht aber eine rechtsgeschäftliche Erklärung gelegen.

Die Kläger haben zunächst beantragt, den Beklagten zur Auflassung und Bewilligung der Eigentumsumschreibung im Grundbuch zu verurteilen und ihren Antrag auf gerichtlichen Hinweis umgestellt auf Zustimmung zur Grundbuchberichtigung.

Die Kläger haben dann beantragt, den ...

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