Nachgehend
BGH (Beschluss vom 17.09.2024; Aktenzeichen KRB 101/23) |
Tenor
I. Gegen die Nebenbetroffene wird wegen der in dem Bußgeldbescheid des Bundeskartellamts vom 5. Dezember 2019 (AZ: B 11 - 27200 - KiB -21/14 -U6) unter A ll. bezeichneten Kartellordnungswidrigkeit ("Absprache im T.-Kreis") eine Geldbuße in Höhe von 20.000.000,- EUR und wegen der dort unter A Vll. bezeichneten Kartellordnungswidrigkeit ("Projekt X. Auftraggeberin: U.") eine Geldbuße in Höhe von 1.000.000,- EUR festgesetzt.
Es wird festgestellt, dass die Verfahrensdauer rechtsstaatswidrig unangemessen lang war.
II. Von dem Vorwurf der in dem Bußgeldbescheid des Bundeskartellamts vom 5. Dezember 2019 (AZ: B 11 - 27200 - KiB -21/14 -U6) unter A Vl bezeichneten Kartellordnungswidrigkeit ("Projekt X., Auftraggeberin: N.") wird die Nebenbetroffene freigesprochen.
III. Im Übrigen wird das Verfahren eingestellt.
IV. Die Nebenbetroffene hat die Kosten des Verfahrens und ihre notwendigen Auslagen zu tragen soweit sie verurteilt worden ist. Im Übrigen hat die Staatskasse die Verfahrenskosten zu tragen. Es wird davon abgesehen, der Staatskasse insoweit die notwendigen Auslagen der Nebenbetroffenen aufzuerlegen.
Angewendete Vorschriften:
§ 81 Abs. 1 Nr. 1 GWB in den Fassungen vom 4. November 2010, 5. Dezember 2012 und 26. Juni 2013 jeweils i.V.m. Art. 101 Abs. 1 AEUV in der Fassung vom 9. Mai 2008; § 81 Abs. 2 Nr. 1 GWB in den Fassungen vom 15. Juli 2005, 18. Dezember 2007, 4. November 2010, 5. Dezember 2012; jeweils i.V.m. § 1 GWB in der Fassung vom 15. Juli 2005; § 81 Abs. 2 Nr. 1 GWB in der Fassung vom 26. Juni 2013 und 1. Juni 2017 i.V.m. § 1 GWB in der Fassung vom 26. Juni 2013 § 9 Abs. 2 S.1 Nr. 1 und §§ 2, 10,14 Abs. 1 S. 1, §§ 19, 30 Abs. 1 Nr. 4 und 5 OWiG
Gründe
Zusammenfassung:
Mitarbeiter der Nebenbetroffenen haben wiederholt kartellrechtswidrige Absprachen getroffen und sind dringend verdächtig, solche Taten auch in rechtsverjährter Zeit begangen zu haben. Soweit die der Nebenbetroffenen zur Last gelegten Taten - Projekt "X2", Projekt "X.3", Projekt "X.4" F. und Projekt "X.5 Block A und B, AN" - unter Anwendung der Grundsätze einer neueren Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur Auslegung des Art. 101 AEUV[1] jedenfalls verjährt sind, werden zur Sache Feststellungen nur zur Vertragshistorie getroffen, soweit nicht weitergehende Feststellungen insbesondere auch im Hinblick auf nicht verjährte Taten bedeutsam sind.
Im Anschluss an eine bilaterale Absprache, die der damalige Leiter des Geschäftsbereichs Kraftwerks- und Versorgungstechnik der Nebenbetroffenen (S.) mit dem damaligen Niederlassungsleiter der Niederlassung ... der ehemaligen Nebenbetroffenen D. (E.) im Zusammenhang mit einem von T. ausgeschriebenen Projekt in Finnland ("X.2") im Jahr 2005 getroffen hatte, initiierte S. einen festen Zusammenschluss von insgesamt jedenfalls vier Wettbewerbern (die Nebenbetroffene und die früheren Nebenbetroffenen D., M. und G. sowie zeitweise D.1), um den Wettbewerb bei der Vergabe von Leistungen zur technischen Gebäudeausrüstung von Kraftwerken zu ihren Gunsten zu beeinflussen. In diesem so genannten Kreis oder T.-Kreis sprach sich S. in der Zeit von Ende 2006/Anfang 2007 bis 2011 bei insgesamt achtzehn Kraftwerksprojekten mit den übrigen Mitgliedern ab, indem sie sich darauf verständigten, wer welchen Auftrag durch Abgabe des niedrigsten Angebotspreises erhalten sollte. Zur Umsetzung der Absprachen hatte S. einen für die Kalkulation zuständigen Mitarbeiter (I.) eingebunden, dem er vertraute und den er über alle Absprachen - soweit I. nicht ohnehin beteiligt war - unterrichtete. I. sprach nach Einleitung des Vergabeverfahrens und während der Verhandlungsrunden mit T. im Auftrag und mit Wissen und Wollen von S. mit den übrigen Teilnehmern über die konkreten Angebotspreise und ggfls. über die Höhe der zu gewährenden Nachlässe, um sicherzustellen, dass der im Kreis für den Zuschlag ausgewählte Bieter das preislich günstigste Angebot abgibt und den Zuschlag erhält. Die getroffenen Absprachen sind bis auf einen Fall jeweils erfolgreich umgesetzt worden: Bei einer Paketvergabe, bei der die Aufträge für zwei Projekte in den Niederlanden gemeinsam vergeben werden sollten, fühlte sich M., nachdem der an der Absprache beteiligte Geschäftsführer (C.) ausgeschieden war und seine Aufgaben vorübergehend von dem kaufmännischen Geschäftsführer (N.1) wahrgenommen wurden, an die ursprünglich zugunsten von D. getroffene Absprache nicht mehr gebunden, so dass M. und D. unabgestimmt ihre Angebote abgaben.
Im Jahr 2014 bemühte sich der damalige Geschäftsbereichsleiter Versorgungstechnik bei der Nebenbetroffenen (der inzwischen beförderte I.) um den für ihn wichtigen Auftrag für das Projekt "X." der Auftraggeberin U.. I. sprach mit dem damaligen Niederlassungsleiter der Niederlassung ... von D. (I.1), der ebenfalls Interesse an dem Auftrag hatte. In einem gemeinsamen Gespräch über die bis dahin kalkulierten Angebotspreise erfuhr I. von I.1, dass dessen Angebotspreis vi...