Leitsatz (amtlich)
1. Den unter dem Gesichtspunkt des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes gem. § 4 Nr. 9a UWG in Anspruch genommenen Verfügungsbeklagten trifft die Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast für Tatsachen, die die Entstehung einer an sich gegebenen wettbewerblichen Eigenart hindern oder deren Schwächung bzw. Wegfall begründen. Ein diesbezügliches non liquet geht daher zu seinen Lasten.
2. Auch im einstweiligen Verfügungsverfahren dürfen die Ergebnisse einer im Rahmen eines Privatgutachtens erstellten Verkehrsbefragung nicht "blind" vom Gericht übernommen werden, sondern dieses muss insbesondere die richtige Auswahl und Anzahl der Befragten, die Fragestellung, die Vorgabe vollständiger Antwortalternativen bei geschlossener Fragestellung und die Ergebnisbewertung sorgfältig prüfen und eigenständig bewerten.
3. Wird in der Eingangsfrage einer Verkehrsbefragung der Gegenstand missverständlich bezeichnet (hier: Bezeichnung einer "Leder-Nylon-Tasche" als "Stofftasche") leidet darunter regelmäßig die Überzeugungskraft der gesamten Verkehrsbefragung, weil anerkanntermaßen selbst geringfügige Eingangsfehler gravierende Auswirkungen auf die Ergebnisse haben können. Dies gilt selbst dann, wenn durch die Eingangsfrage keine der befragten Personen herausgefiltert wird, und im Rahmen der weiteren Fragen zwar Abbildungen des Gegenstandes gezeigt werden, jedoch in diesen Abbildungen nicht alle typischen, den Verkehrskreisen begegnenden Erscheinungsbilder des Gegenstandes enthalten sind (hier: Tasche in gefaltetem Zustand).
4. Eine Verkehrsbefragung mit den unter Ziff. 3. genannten Mängeln vermag ferner nicht die aus sonstigen Umständen abgeleitete überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine vermeidbare Herkunftstäuschung zu entkräften.
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Urteil vom 20.02.2014; Aktenzeichen 14c O 83/13) |
Tenor
I. Die Berufung des Verfügungsbeklagten gegen das am 20.2.2014 verkündete Urteil der 14c. Zivilkammer des LG Düsseldorf (Az.: 14c O 83/13) wird zurückgewiesen.
II. Der Verfügungsbeklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Gründe
I. Von der Darstellung des Sachverhaltes wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO i.V.m. § 542 Abs. 2 S. 1 ZPO abgesehen.
II. Die zulässige Berufung des Verfügungsbeklagten ist unbegründet.
Der für den Erlass der einstweiligen Verfügung erforderliche Verfügungsgrund liegt mit Blick auf die Vermutung des § 12 Abs. 2 UWG vor. Zu deren Widerlegung hat der Verfügungsbeklagte auch in zweiter Instanz nichts vorgetragen.
Wie nachfolgend im Einzelnen erläutert, ist auch der erforderliche Verfügungsanspruch gegeben. Das LG hat der Verfügungsklägerin zu Recht einen Unterlassungsanspruch gem. §§ 8 Abs. 1, 3, 4 Nr. 9a UWG zuerkannt. Auch die vom Verfügungsbeklagten erstmals in der Berufungsinstanz eingereichten Verkehrsbefragungen (Anlagen Ag 23, Ag 24) geben keinen Anlass zu einer Abänderung der überzeugenden landgerichtlichen Entscheidung.
1. Der Verfügungsbeklagte wendet sich zu Recht nicht dagegen, dass das LG die Verfügungsklägerin als aktivlegitimiert angesehen hat. Ebenso steht zu Recht außer Streit, dass das LG zutreffend ein gewerbliches Anbieten der streitgegenständlichen Tasche (vgl. die Bilder gemäß Anlage AG 2013, wobei die Taschen in schwarz-schwarzer Kolorierung ausweislich der Klarstellung zu Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11.12.2014 nicht streitgegenständlich sind; vgl. ferner die Abbildungen im Urteil des LG, S. 4 unten; nachfolgend: "angegriffene Ausführungsform") festgestellt hat.
2. Die Tasche "Le Pliage" weist die notwendige wettbewerbliche Eigenart auf, wobei das LG hier zu Recht von einem hohen Grad der selbigen ausgegangen ist.
a) Anerkanntermaßen genießen ausschließlich Waren mit wettbewerblicher Eigenart Nachahmungsschutz (BGH GRUR 2012, 58 Rz. 48 - Seilzirkus; Köhler/Bornkamm, UWG, 32. A., 2014, § 4 Rz. 9.24). Die Funktion dieses (ungeschriebenen) Tatbestandsmerkmals besteht darin, den Schutz vor Nachahmung auf solche Leistungsergebnisse zu beschränken, die unter Berücksichtigung der Interessen der Mitbewerber, der Verbraucher, der sonstigen Marktteilnehmer und der Allgemeinheit schutzwürdig sind, was bspw. hinsichtlich "Allerweltserzeugnissen" oder "Dutzendware" nicht der Fall ist (BGH WRP 2012, 1179 Rz. 34 - Sandmalkasten).
Wettbewerbliche Eigenart liegt vor, wenn die konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale des Erzeugnisses geeignet sind, die angesprochenen Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen (vgl. BGH GRUR 2010, 80 Rz. 23 - LIKEaBIKE; BGH WRP 2013, 1189 Rz. 19 - Regalsystem; BGH GRUR 2013, 1052 Rz. 18 - Einkaufswagen III). Ausreichend ist es, wenn der Verkehr aufgrund der Ausgestaltung oder der Merkmale des Produkts die Vorstellung hat, es könne wohl nur von einem bestimmten Anbieter oder einem mit ihm verbundenen Unternehmen stammen (BGH GRUR 2007, 984 Rz. 23 - Gartenliege), wobei die wettbewerbliche Eigenart gerade auf die übernommenen Gestaltungsmerkmale des Erzeugnisse...