Entscheidungsstichwort (Thema)
Wettbewerbsrechtlicher Nachahmungsschutz für Damenhandtasche; Verjährung: Einführung eines neuen Streitgegenstandes durch Antragsmodifizierung
Leitsatz (amtlich)
1. Die für einen wettbewerbsrechtlichen Nachahmungsschutz erforderliche wettbewerbliche Eigenart einer Damenhandtasche kann sich auch aus der Kombination für sich vorbekannter und geläufiger Gestaltungsmerkmale in Verbindung mit einer bestimmten Ausgestaltung der Faltbarkeit ergeben und durch eine Bekanntheit bei den maßgeblichen Verkehrskreisen gesteigert werden.
2. Für den Einwand, die wettbewerbliche Eigenart sei nachträglich durch Annäherungen im Marktumfeld entfallen, genügt nicht die Auflistung der Vergleichsobjekte; erforderlich sind auch Angaben zu Umfang und Zeitraum des Vertriebs.
3. Übernimmt das angegriffene Erzeugnis sämtliche prägenden Merkmale des Originals, kann die Nachahmung unter dem Gesichtspunkt der Ausnutzung der Wertschätzung unabhängig davon unlauter sein, ob die angesprochenen Verkehrskreise in der konkreten Kaufsituation einer Herkunftstäuschung nicht unterliegen.
4. Wird im Laufe des Rechtsstreits der gegen das Angebot eines bestimmten Erzeugnisses gerichtete Klageantrag dahin modifiziert, dass die Bezugnahme auf die Abbildung dieses Erzeugnisses um die Bezugnahme auf eine weitere Abbildung ergänzt wird, liegt darin jedenfalls dann keine die Verjährungsunterbrechung der erhobenen Klage beeinflussende Einführung eines weiteren Streitgegenstands, wenn auf die weitere Abbildung bereits in der Klagebegründung hingewiesen worden ist.
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 27.03.2014; Aktenzeichen 2-3 O 89/13) |
BGH (Aktenzeichen I ZR 157/15) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 27.3.2014 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des LG Frankfurt wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass unter I. hinter der eingeklammerten Passage die Wörter eingefügt werden: "soweit das Modell 'A in 2 Größen' betroffen ist."
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen hat die Beklagte zu tragen.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 550.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf EUR 500.000,00 festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen der angeblichen Nachahmung einer Handtasche auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch.
Die Klägerin stellt seit Mitte der Neunzigerjahre die Tasche "B" in verschiedenen Farben, Größen und Henkellängen her. Das Taschenmodell weist unter anderem folgende Merkmale auf:
- Einen Taschenkorpus aus nylonartigem Stoff im Trapez-Querformat;
- Tragegriffe aus Leder an der Oberseite, dazwischen ein Überschlag aus Leder mit einem Druckknopf, wobei das Leder im farblichen Kontrast zum Korpus steht;
- Faltbarkeit der Tasche, wobei die Faltform per Druckknopf mit dem Lederüberwurf fixiert werden kann.
Die Taschen werden im Einzelhandel für ca. 50 EUR verkauft. Die Beklagte vertreibt bundesweit Waren über mehrere hundert eigene Einzelhandelsfilialen, einen Onlineshop und besondere Verkaufsregale in Supermärkten. Sie bewarb in der Zeit vom 21.8.2012 bis jedenfalls zum 3.9.2012 in einem Prospekt und auf Ihrer Internetseite eine Tasche für 14,95 EUR bzw. 16,95 EUR (Anlagen K13, K14). Die Klägerin sieht in diesen Taschen unlautere Nachahmungen ihrer Tasche "B".
Im Übrigen wird hinsichtlich des Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Das LG hat die Beklagte verurteilt,
I. es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr in Deutschland Taschen wie in der nachfolgend beigefügten Anlage K14 zur Klageschrift vom 27.2.2013 (dort die Seiten 2-4 = Bl. 207-209 d.A.) abgebildet anzubieten oder zu bewerben oder anbieten oder bewerben zu lassen;
II. es wird festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin jeden Schaden zu ersetzen hat, der dieser seit dem 27.8.2012 aus den oben unter Ziffer I. genannten Verletzungshandlungen jeweils entstanden ist oder noch entstehen wird;
III. der Klägerin schriftlich Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen über die Herkunft und den Umfang des Vertriebs der von ihr in Deutschland seit dem 27.8.2012 angebotenen Taschen gemäß Ziff. I, und zwar unter Angabe
1. von Namen und Anschriften des oder der Lieferanten,
2. der von ihr bezogenen Stückzahlen, aufgeschlüsselt nach Artikeln, den Bezugszeitpunkten sowie jeweiligen Einkaufspreisen,
3. der von ihr abgesetzten Stückzahlen, aufgeschlüsselt nach Artikeln, Filialen, Vertriebshandlungen und im Wege des Fernabsatzes und den jeweiligen Kalenderdaten des Verkaufs sowie den jeweils erzielten Verkaufspreisen, jeweils unter Vorlage von Rechnungen als Nachweis.
Das LG hat die Klage abgewiesen, soweit im Unterlassungsantrag auch ein Bildausschnitt der Werbung der Beklagten abgebildet w...