Leitsatz (amtlich)

1. Es gehört zu den Pflichten des Rechtsanwalts, seinen bei einer Rechtsschutzversicherung versicherten Mandanten auf das mit dem Abschluss eines Vergleichs verbundene Risiko, Kosten von der Rechtsschutzversicherung nicht erstattet zu bekommen, hinzuweisen.

2. Wird dem Rechtsanwalt eine Unterlassung - hier: fehlende Beratung zum Kostenrisiko eines Vergleichs - vorgeworfen, muss untersucht werden, wie die Dinge abgelaufen wären, wenn der Anwalt die versäumte Handlung pflichtgemäß vorgenommen hätte.

3. Für einen schuldhaften Beratungsfehler beim Vergleichsabschluss hat der Rechtsanwalt nur eizustehen, wenn dem Mandanten aus dem Abschluss des Vergleichs ein Schaden im Sinne einer Verschlechterung seiner Gesamtvermögenslage entstanden ist.

4. Eine Feststellungsklage gegen den auf Ersatz von gegenwärtigem und zukünftigem Schaden in Anspruch genommenen Rechtsanwalt ist unbegründet, wenn schon ein gegenwärtiger Schaden des Mandanten durch den Vergleichsabschluss, von dem der Rechtsanwalt hätte abraten müssen, nicht gegeben ist.

5. Ist - wie regelmäßig - von einem der gesamten Sozietät erteilten Mandat auszugehen, steht die Honorarforderung nicht deren Mitgliedern als Gesamtgläubigern nach § 428 BGB zu, sondern gehört zum gesamthänderisch gebundenen Vermögen der als BGB-Gesellschaft tätigen Sozietät.

 

Normenkette

BGB §§ 675, 611, 280, 779; ARB 1975 § 2 Abs. 3a; BGB §§ 428, 719, 718

 

Verfahrensgang

LG Mönchengladbach (Urteil vom 19.08.2010; Aktenzeichen 10 O 5/09)

 

Tenor

Auf die Berufung der Kläger wird das am 19.8.2010 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des LG Mönchengladbach abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Kläger in ihrer Verbundenheit als BGB-Gesellschaft 6.223,18 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9.7.2008 zu zahlen.

Die Widerklage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des beizutreibenden Betrags abzuwenden, es sei denn, die Kläger leisten vorher Sicherheit in gleicher Höhe.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Kläger, die gemeinschaftlich eine Rechtsanwaltskanzlei betreiben, machen Vergütungsansprüche ihrer Sozietät gegen den Beklagten geltend, der sie in einem Berufungsverfahren vor dem OLG Köln mit seiner Interessenvertretung beauftragt hatte. Der Beklagte beruft sich demgegenüber auf anwaltliche Fehlberatung beim Abschluss eines im Laufe des Berufungsverfahrens geschlossenen Vergleichs. Darüber hinaus verlangt er im Wege der Widerklage Schadensersatz für die von ihm für das Berufungsverfahren an die gegnerischen Rechtsanwälte gezahlte Vergütung und will von den Klägern so gestellt werden, als ob der von ihm geschlossene Vergleich nicht abgeschlossen worden wäre.

Am 6.10.2002 erlitt der Beklagte als Motorradfahrer einen Verkehrsunfall, bei dem er erheblich verletzt wurde. Seine hieraus resultierenden Ansprüche machte er im Verfahren 17 O 183/03 LG Köln geltend. Das LG gab nach mündlicher Verhandlung am 26.4.2007 mit Urteil vom 18.5.2007 der Klage teilweise statt und verurteilte den Unfallgegner und seine Haftpflichtversicherung (im Folgenden: Unfallgegner) gesamtschuldnerisch zur Zahlung von Schadensersatz i.H.v. 4.124,63 EUR und Schmerzensgeld i.H.v. 20.000 EUR. Darüber hinaus stellte das Gericht fest, dass die Unfallgegner verpflichtet seien, dem Beklagten jeden weiteren materiellen und immateriellen Schaden aus dem Unfallereignis i.H.v. 1/3 zu ersetzen. Im Übrigen wies das LG die Klage ab. Der Beklagte beauftragte nach Erhalt einer entsprechenden Deckungszusage durch seine Rechtsschutzversicherung die Kläger mit der Durchführung des Berufungsverfahrens mit dem Ziel einer Heraufsetzung der Haftungsquote seiner Unfallgegner auf insgesamt 2/3. Diese legten Anschlussberufung mit dem Ziel einer Herabsetzung ihrer Haftungsquote auf 20 % ein. Mit Beschluss vom 10.1.2008 teilte das OLG Köln (13 U 91/07) mit, dass es beabsichtige, die Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Der Beklagte bat sodann den sachbearbeitenden Kläger S. (im Folgenden: Sachbearbeiter) die bereits in erster Instanz mit den Unfallgegnern geführten Vergleichsgespräche wieder aufzunehmen. Durch Beschluss vom 13.3.2008 stellte das OLG einen Vergleich fest, in dem sich die Unfallgegner verpflichteten, an den Beklagten 60.000 EUR zu zahlen. Damit sollten sämtliche Ansprüche des Beklagten aus dem Unfallereignis für Vergangenheit und Zukunft abgegolten sein, soweit nicht ein Übergang auf Sozialversicherungsträger und Krankenversicherer erfolgte. Hinsichtlich der Kosten vereinbarten die Parteien, dass es für die erste Instanz bei der Kostenregelung des angefochtenen Urteils bleiben sollte und die Kosten zweiter Instanz der Beklagte zu tragen hatte. Die Kosten des Vergleichs wurden gegeneinander aufgehoben.

Mit Schreiben vom 7.4.2008 rechneten die Kläger für das Beru...

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