Entscheidungsstichwort (Thema)

Belehrungspflicht des Rechtsanwalts gegenüber Mandaten bei Verlust der Deckungszusage

 

Normenkette

BGB §§ 611, 675

 

Verfahrensgang

LG Düsseldorf (Aktenzeichen 1 O 10/00)

 

Tenor

Auf die Anschlussberufung der Beklagten wird das am 28.9.2000 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des LG Düsseldorf unter Zurückweisung der Berufung und der weitergehenden Anschlussberufung teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 57,30 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 23.9.1998 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten beider Instanzen trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Die Anschlussberufung führt hingegen teilweise zu einer Abänderung des erstinstanzlichen Urteils in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang.

A. Berufung

Ein Honoraranspruch der Klägerin besteht lediglich noch i.H.v. 57,30 DM. Die weitergehende Gebührenforderung – soweit nicht durch Zahlungen untergegangen – scheitert daran, dass der Beklagten ein auf Freistellung von dieser Schuld gerichteter Schadensersatzanspruch unter dem Gesichtspunkt der positiven Verletzung des Anwaltsdienstvertrages (§§ 675, 611 BGB) zusteht.

1. Der beratende Rechtsanwalt L. (im Folgenden: RA L.) hat seine ggü. der Beklagten bestehende Vertragspflicht schuldhaft verletzt, indem er sie nicht mit der gebotenen Sorgfalt auf das sehr hohe Verlustrisiko der beabsichtigten Prozessführung mit der Folge der daraus entstehenden Kostentragungsverpflichtung hingewiesen hat. Dieses Verschulden steht auch dem Erfüllungsanspruch der übrigen Partner der klagenden Partnerschaftsgesellschaft entgegen (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.11.1999 – 24 U 213/98, OLGReport Düsseldorf 2000, 169 = NJW 2000, 1650).

a) Der um Rat gebetene Rechtsanwalt ist seinem Auftraggeber zu einer umfassenden und erschöpfenden Belehrung verpflichtet. Der Anwalt muss den ihm vorgetragenen Sachverhalt dahin prüfen, ob er geeignet ist, den vom Auftraggeber erstrebten Erfolg herbeizuführen. Er hat den Auftraggeber vor Nachteilen zu bewahren, soweit solche voraussehbar und vermeidbar sind. Dazu hat der Anwalt seinem Mandanten den sichersten Weg vorzuschlagen und ihn über mögliche Risiken aufzuklären, damit der Mandant eine sachgerechte Entscheidung treffen kann; Zweifel und Bedenken, zu denen die Sachlage Anlass gibt, muss der Anwalt darlegen und mit seinem Auftraggeber erörtern (st. Rspr.: u.a. BGH v. 11.2.1999 – IX ZR 14/98, WM 1999, 647; v. 13.3.1997 – IX ZR 81/96, MDR 1997, 894 = NJW 1997, 2168; v. 20.6.1996 – IX ZR 106/95, MDR 1997, 100 = NJW 1996, 2929; v. 5.11.1992 – IX ZR 200/91, MDR 1993, 479 = WM 1993, 610 [613 f.]; v. 20.1.1994 – IX ZR 46/93, MDR 1994, 516 = NJW 1994, 1211 [1212]).

Erscheint nach pflichtgemäßer Prüfung der Sach- und Rechtslage eine beabsichtigte Klage mit hoher Wahrscheinlichkeit als aussichtslos, muss der Anwalt auf die damit verbundene große Gefahr eines Prozessverlustes hinweisen (BGH v. 10.3.1988 – IX ZR 194/87, NJW 1988, 2113 m.w.N.).

b) Unter Beachtung vorgenannter Grundsätze ist RA L. eine Pflichtverletzung vorzuwerfen, die auch zur Entstehung eines (Kosten-)Schadens bei der Beklagten geführt hat.

Die Beklagte hat RA L. im Herbst 1996 aufgesucht, um sich von ihm beraten zu lassen, ob ihr Ausgleichsansprüche gegen ihre ehemalige Lebensgefährtin aus einem gemeinschaftlich mit dieser abgeschlossenen Mietvertrag zustünden. Zu diesem Zeitpunkt hatte das AG Düsseldorf in dem Verfahren 55 C 16144/95 bereits rechtskräftig erkannt, dass der Beklagten kein Anspruch gem. §§ 426, 421 BGB wegen der von ihr alleine getragenen Mieten für die Monate Juni bis August 1995 zukomme, da der Zeuge M. infolge einer konkludenten Vertragsübernahme statt der Lebensgefährtin in den Mietvertrag eingetreten sei. Dies teilte die Beklagte RA L., der sie nicht in dem Vorprozess vertreten hatte, mit. Des Weiteren legte sie ihm ein selbst verfasstes und der Lebensgefährtin übergebenes Schreiben vom 10.2.1996 vor, wie RA L. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eingeräumt hat. Hierin bestätigte sie ihre Bereitschaft, ihre Lebensgefährtin aus dem gemeinsamen Mietvertrag „zu entlassen”. Der Mietvertrag werde von ihr „alleine getragen”.

Unter Berücksichtigung der vorgenannten, ihm bekannten Umstände hätte RA L. der Beklagten die äußerst geringen Erfolgsaussichten einer beabsichtigten Klageerhebung klar vor Augen stellen müssen.

aa) Einer Klageerhebung stand allerdings entgegen der in dem angefochtenen Urteil vertretenen Rechtsansicht nicht die materielle Rechtskraft des Urteils AG Düsseldorf 55 C 16144/95 entgegen. Ob sich die Rechtskraft bei Teilklagen lediglich auf den geltend gemachten Anspruchsteil beschränkt oder eine Rechtskrafterstreckung auf den Gesamtanspruch zu Lasten des Klägers eintritt, ist zwar nicht unumstritten. Eine allgemeine Rechtsansicht, wie weit die Rechtskraft eines klageabweisenden Urteils reicht, besteht nicht (vgl. zum Meinungsstand Zöller/Vollk...

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