Leitsatz (amtlich)
1. Die Verwendung eines amerikanischen Akzents steht der bestimmungsgemäßen Zur-Kenntnis-Bringung einer Internet-Werbung (auch) für den deutschen Markt nicht entgegen, wenn die angesprochenen Verkehrskreise jedenfalls den wesentlichen Sinngehalt des Textes mit ihren englischen Grundkenntnissen erfassen können.
2. Auch im einstweiligen Verfügungsverfahren muss das Gericht gem. § 293 ZPO das anwendbare ausländische Recht von Amts wegen ermitteln und darf daher den Antrag nicht etwa mit der Begründung zurückweisen, dass kein deutsches Recht anwendbar sei. Lässt sich im Eilverfahren der Inhalt des ausländischen Rechts nicht einmal summarisch ermitteln, ist der Fall äußerst hilfsweise nach deutschem Recht zu entscheiden.
3. Verbände i.S.v. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG sind berechtigt, Ansprüche ihrer Mitglieder wegen Verstößen gegen § 4 Nr. 2 UWG kraft eigenen Rechts durchzusetzen. Jedenfalls dürfen sie die kollektiven Interessen ihrer Mitglieder dann wahrnehmen, wenn eine anschwärzende Werbung eine ganze Produktgattung herabsetzt und der Kreis der betroffenen Mitbewerber keinen ausufernden Umfang einnimmt.
Verfahrensgang
LG Mönchengladbach (Aktenzeichen 8 O 38/18) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Verfügungsklägers wird das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Mönchengladbach vom 22.02.2019 teilweise abgeändert:
Die Verfügungsbeklagten werden - unter Zurückweisung der Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung im Übrigen - verurteilt, es zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen in der Werbung für "A"-Eindrehpapier folgende Aussagen in englischer Sprache zu braunem Eindrehpapier von Mitbewerbern zu treffen oder treffen zu lassen:
1) "It had chalk in it";
2) "It had bleach in it";
3) "It had E150c in it";
4) "Other papers when they want them to look like "A" - just naturally brown and that has none of this shit in [...] - what they do is they basically sell you the same papers, substantially similar to the ones they sold your parents in the 80ies, they just add more brown dye",
wenn dies jeweils geschieht wie in dem auf Instagram unter den Accounts "A1" und "A2" geposteten Video mit dem Titel "...", überreicht als Anlage AS 6 zum Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung.
II. Den Verfügungsbeklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen eine der Unterlassungsverfügungen gem. Ziffer I. ein Ordnungsgeld von bis zu EUR 250.000,-, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, angedroht.
III. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
IV. Die Verfügungsbeklagten haben die Verfahrenskosten beider Instanzen zu tragen.
Gründe
I. Von der Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 542 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.
II. Die zulässige Berufung des Verfügungsklägers ist ganz überwiegend begründet. Den Verfügungsanträgen bleibt der Erfolg bloß insoweit versagt, als sie auch auf ein Unterlassen der streitgegenständlichen Äußerungen in der deutschen Sprache gerichtet sind.
1. Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte auch hinsichtlich des Verfügungsbeklagten zu 2) gegeben.
a) Die internationale Zuständigkeit ist eine selbstständige Prozessvoraussetzung, die in jeder Lage des Verfahrens, auch noch in der Berufungs- und Revisionsinstanz, von Amts wegen zu prüfen ist (BGHZ 162, 246 (249) = GRUR 2005, 519 - Vitamin-Zell-Komplex; BGHZ 167, 91 Rn. 20 = GRUR 2006, 513 - Arzneimittelwerbung im Internet; BGH WRP 2016, 586 Rn. 10 - Eizellspende). Für die Zuständigkeitsbeurteilung ist die Richtigkeit des Klagevorbringens zu unterstellen, wenn die Behauptungen, die die Zuständigkeit begründen, zugleich notwendige Tatbestandsmerkmale des Anspruchs selbst sind (sog. doppelrelevante Tatsachen; vgl. BGH GRUR 1987, 172 (173) - Unternehmensberatungsgesellschaft I). Es reicht mithin aus, dass eine Verletzung schlüssig behauptet wird und dies nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann; ob sie tatsächlich eingetreten ist, ist eine Frage der Begründetheit der Klage (BGH GRUR 2014, 601 Rn. 17 - englischsprachige Pressemitteilung; BGH GRUR 2018, 84 Rn. 47 - Parfummarken).
Ob ein deutsches oder ein ausländisches Gericht zur Entscheidung berufen ist, bestimmt sich nach den Regeln über die örtliche Zuständigkeit, denen insoweit Doppelfunktionalität zukommt (BGH GRUR 1987, 172 (173) - Unternehmensberatungsgesellschaft I). Grundsätzlich ist daher, soweit keine vorrangigen Regelungen im Unionsrecht oder in Staatsverträgen vorliegen, ein (nach § 14 UWG bzw. den §§ 12 ff. ZPO) örtlich zuständiges deutsches Gericht im Verhältnis zu ausländischen Gerichten zugleich auch international zuständig (BGH GRUR 2010, 461 Rn. 7 ff. - The New York Times; BGH NJW 2011, 2518 Rn. 7). Problematisch sind folglich nur Fälle, in denen der Antragsgegner / der Beklagte weder in einem Mitgliedstaat noch in einem Vertragsstaat des LugÜ II einen Sitz hat, wobei es bei natürlichen Personen auf den Wohnort und nich...