Leitsatz (amtlich)
1. Bereits im Vorschussverfahren ist eine zwischen den Parteien streitige Mangelbeseitigungsmethode (hier: Notwendigkeit eines Gerüsts) vom Gericht zu klären und mit Bindungswirkung für das Abrechnungsverfahren festzustellen.
2. Ein Vorschussanspruch besteht nicht, wenn der Besteller sich aus zurückgehaltenem Werklohn befriedigen kann. Der Auftragnehmer kann gegen einen Vorschussanspruch des Auftraggebers die Aufrechnung mit seinem Restwerklohnanspruch erklären. Dies gilt trotz der Zweckgebundenheit und Abrechnungsbedürftigkeit des Vorschusses.
3. Die Tragweite einer Hemmung der Verjährung richtet sich nicht nach der bezeichneten Mangelerscheinung, sondern nach den der Werkleistung anhaftenden Mängeln selbst, soweit sie Ursache der angeführten Mangelerscheinung im Sinne der Symptomtheorie sind.
4. Eine Vorschussklage hemmt die Verjährung auch hinsichtlich nicht eingeklagter Beträge. Ein den Vorschussanspruch zusprechendes Urteil enthält regelmäßig die Feststellung, dass der Auftragnehmer verpflichtet ist, die gesamten Mängelbeseitigungskosten (d.h. auch die den geforderten bzw. gezahlten Vorschuss übersteigenden Ersatzvornahmekosten) zu zahlen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Kläger aus anderen Gründen als der fehlenden bzw. unzureichenden Gewissheit über die Mängelbeseitigungskosten die Klage beschränkt, z.B. wenn er den Auftragnehmer nur für verpflichtet hält, (etwa wegen eines Mitverschuldens o..ä.) eine Quote der Mängelbeseitigungskosten als Vorschuss zu zahlen.
5. Auch neben einer bezifferten Kostenvorschussklage ist ein Feststellungsantrag zulässig, der die Verjährung ebenfalls hemmt.
6. Der Anspruch gemäß § 637 Abs. 3 BGB geht auf den Geldbetrag, der die Mängelbeseitigungskosten mutmaßlich, d.h. aus der Sicht eines vernünftigen, wirtschaftlich denkenden und sachkundig beratenen Bestellers voraussichtlich abdecken wird. Die Höhe kann bei Vorliegen greifbarer Anhaltspunkte geschätzt werden Der Auftraggeber muss keine sachverständige Beratung in Anspruch nehmen oder Kostenvoranschläge einholen, um die voraussichtlichen Kosten zu substantiieren, sondern darf die Kosten laienhaft schätzen.
7. Dem Auftragnehmer obliegt - abhängig von Art und Umfang der Substantiierung der Vorschussforderung durch den Auftraggeber - ein substantiiertes Bestreiten der Einzelpositionen der Vorschussforderung.
Verfahrensgang
LG Mönchengladbach (Urteil vom 19.05.2016; Aktenzeichen 1 O 122/11) |
Tenor
Auf die Berufung der Kläger und der Beklagten wird das Urteil der 1. Zivilkammer des LG Mönchengladbach vom 19.05.2016 teilweise abgeändert und unter Zurückweisung der weiter gehenden Rechtsmittel beider Parteien insgesamt wie folgt neugefasst:
1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern alle weiteren Aufwendungen, insbesondere Regiekosten und Kosten für die notwendigen Vor- und Nacharbeiten zu ersetzen, die zur Beseitigung folgender Mängel am Zweifamilienhaus ... notwendig sind:
- Rissschäden an sämtlichen Türöffnungen (einschließlich Haustür bzw. der Anschlussstelle zwischen WDVS-Verbundfassade, Oberputz und Haustürrahmen) und an sämtlichen Fensteröffnungen der Außenfassade
- Abrisse im Anschlussbereich zwischen Außenverputz und Streichsparren des Daches
- Rissbildung im Bereich der Vertikalanschlüsse zwischen dem Hauptgebäude und den beiden angrenzenden, ebenfalls überputzten Fertiggaragen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger Schadensersatz in Höhe von 963,30 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.04.2011 zu zahlen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Kostenvorschuss einen Betrag in Höhe von 5.250,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.08.2012 zu zahlen.
4. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern alle weiteren Aufwendungen, insbesondere Regiekosten und Kosten für notwendige Vor- und Nacharbeiten zu ersetzen, die ihnen im Zusammenhang mit der Beseitigung des nachfolgend dargestellten Mangels am Zweifamilienhaus ... entstanden sind oder entstehen werden:
a. Fehlende sach- und fachgerechte Abschluss-Situation im unteren Anschlussbereich/Fußpunkt der Wärmedämmverbundfassade umlaufend um das ganze Gebäude, indes mit Ausnahme des Anschlussbereichs der beiden Fertiggaragen.
b. Der Feststellungsantrag umfasst auch diejenigen Kosten, die für die Beseitigung von Feuchtigkeitsschäden im Armierungsgewebe und Putzbereich bereits dadurch entstanden sind, dass Feuchtigkeit über das nach unten heraushängende Armierungsgewebe in die Putzfassade hinein eingedrungen ist.
Die weiter gehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz werden zu 41 % der Beklagten und zu 59 % den Klägern auferlegt; die Kosten der Streithilfe werden zu 59 % den Klägern und zu 41 % der Streithelferin auferlegt.
Die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz werden zu 42 % der Beklagten und zu 58 % den Klägern auferlegt; die Kosten der Streithilfe werden zu 58 % den Klägern und zu 42...