Leitsatz (amtlich)
1. Inhaltlich voneinander trennbare, einzeln aus sich heraus verständliche Regelungen in AGB können auch dann Gegenstand einer gesonderten Wirksamkeitsprüfung sein, wenn sie in einem äußeren sprachlichen Zusammenhang mit anderen - etwaig unwirksamen - Regelungen stehen. Nur wenn der als wirksam anzusehende Teil im Gesamtgefüge des Vertrages nicht mehr sinnvoll, insbesondere der als unwirksam beanstandete Teil der AGB-Klausel von so einschneidender Bedeutung ist, dass von einer gänzlich neuen, von der bisherigen Regelung völlig abweichenden Vertragsgestaltung gesprochen werden muss, ergreift die Unwirksamkeit der Teilklausel die Gesamtklausel.
2. Die Vereinbarung über die Stellung einer selbstschuldnerischen, unbefristeten Bürgschaft hat demgemäß auch dann Bestand, wenn die Verpflichtung, die Bürgschaft mit einem Verzicht auf die Einrede der Aufrechenbarkeit gem. § 770 Abs. 2 BGB zu versehen bzw. zu erbringen, unwirksam ist.
3. Eine "konzeptionelle Einheit" besteht nicht, wenn in der Sicherungsvereinbarung die Stellung einer selbstschuldnerischen Bürgschaft verlangt wird und zudem vorgesehen ist, dass der Bürge auf die Einrede der Aufrechenbarkeit gem. § 770 Abs. 2 BGB verzichtet. Diese Regelungen sind nicht untrennbar miteinander verknüpft, denn die Stellung einer selbstschuldnerischen, unbefristeten Bürgschaft ist - im Gegenteil - gerade erst recht ohne den Verzicht auf die Einrede der Aufrechenbarkeit gem. § 770 Abs. 2 BGB (ebenso wie ohne den Verzicht auf die Einrede des Hauptschuldners gem. § 768 BGB) unbedenklich.
4. Die durch die Teilunwirksamkeit einer formularmäßig vereinbarten Vertragserfüllungsbürgschaft (sei es auf erstes Anfordern, sei es unter Verzicht auf die Einrede der Aufrechenbarkeit gem. § 770 Abs. 2 BGB) entstehende Vertragslücke kann grundsätzlich dadurch geschlossen werden, dass der Auftragnehmer im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung verpflichtet ist, eine selbstschuldnerische Vertragserfüllungsbürgschaft bzw. eine Vertragserfüllungsbürgschaft ohne Verzicht des Bürgen auf die Einrede der Aufrechenbarkeit gem. § 770 Abs. 2 BGB zu stellen.
5. Die belastende Wirkung einer für sich allein gesehen noch hinnehmbaren Klausel kann durch eine oder mehrere weitere Vertragsbestimmungen derart verstärkt werden, dass der Vertragspartner des Verwenders im Ergebnis unangemessen benachteiligt wird.
Verfahrensgang
LG Krefeld (Urteil vom 03.07.2013; Aktenzeichen 2 O 363/12) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 2. Zivilkammer des LG Krefeld vom 3.7.2013 teilweise abgeändert und unter Zurückweisung der weiter gehenden Berufung insgesamt wie folgt neugefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 95.795 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6.3.2012 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von der Gebührenverpflichtung gegenüber den Rechtsanwälten Jahrmarkt, Steffens, Winterberg, Alfredstraße 66-72/Haumannplatz 2, 45130 Essen i.H.v. 2.118,44 EUR freizustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche aus einer Vertragserfüllungsbürgschaft i.H.v. 95.795 EUR nebst Zinsen und Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten nebst Zinsen geltend. Wegen weiterer Einzelheiten wird gem. § 540 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil Bezug genommen.
Das LG hat der Klage - mit Ausnahme der Zinsen auf die vorgerichtlichen Anwaltskosten - entsprochen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Die Klägerin habe gegen die Beklagte einen Zahlungsanspruch i.H.v. 95.795 EUR, da der formularmäßige Ausschluss der Einreden der Vorausklage (773 BGB), der Anfechtung (§ 770 Abs. 1 BGB) und der Aufrechenbarkeit (§ 770 Abs. 2 BGB) nicht zur Unwirksamkeit der gesamten Vereinbarung führe.
Der Einredeverzicht sei Teil der AGB der Klägerin. Die Vertragsbedingungen seien - auch wenn das Formular mit dem Briefkopf der Beklagten erstellt worden sei - nach den Umständen von der Klägerin i.S.v. § 305 Abs. 1 Satz 1 Satz 1 BGB gestellt, da sie ausweislich des GU-Vertrages (23 GA, dort zu Ziff. 11.1./11.3.) Urheberin dieser Einschränkungen sei.
Der Verzicht auf die Einrede der Aufrechnung sei zwar unwirksam, weil er mit dem wesentlichen Grundgedanken der Subsidiarität der Bürgschaft nicht zu vereinbaren sei und den Bürgen entgegen § 242 BGB i.S.v. § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unangemessen benachteilige (BGH NJW 2003, 1521).
Die Regelung über den Verzicht auf die Einrede der Aufrechenbarkeit sei indes inhaltlich und vom äußeren Erscheinungsbild von den übrigen Formularbestimmungen des Bürgscha...