Leitsatz (amtlich)
Nach Schluss der mündlichen Verhandlung in der 1. Instanz eingeführtes Tatsachenvorbringen als neues Angriffs- und Verteidigungsmittel i.S.d. § 531 Abs. 1 ZPO; zur Pflicht der Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 156 ZPO
In den Anwendungsbereich des § 531 Abs. 1 ZPO fällt auch das Vorbringen in einem nicht nachgelassenen Schriftsatz, einem Schriftsatz, der die Grenzen des § 283 ZPO überschreitet, oder zwar nachgelassen ist, aber verspätet eingeht und deshalb nach § 296a ZPO unberücksichtigt bleibt. Derartiges neues Vorbringen bleibt im Berufungsrechtszug ausgeschlossen, sofern nicht einer der Zulassungsgründe des § 531 Abs. 2 S. 1 ZPO vorliegt.
§ 156 ZPO gibt dem Gericht einen Ermessensspielraum und schreibt nur in Ausnahmefällen eine Verpflichtung zum Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung vor. Ein solcher Fall ist gegeben, wenn sich nach Schluss der mündlichen Verhandlung aus neuem Vorbringen ergibt, dass die bisherige Verhandlung lückenhaft war und in der letzten mündlichen Verhandlung bei sachgemäßen Vorgehen Veranlassung zur Ausübung des Fragerechts oder zur Erteilung von Hinweisen bestand, und darüber hinaus, wenn durch Versäumnisse des Gerichts oder durch andere Umstände im Verfahren bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung eine vollständige und sachgerechte Erklärung unterblieb.
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Urteil vom 17.10.2002; Aktenzeichen 3 O 243/02) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des LG Düsseldorf vom 17.10.2002 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
A. Die Klägerin verlangt aus abgetretenem Recht der S ... GmbH von der Beklagten Zahlung restlichen Werklohns für in dem der Beklagten gehörenden Haus K.-straße in D. von der Zedentin durchgeführte Installationsarbeiten.
Das LG hat nach Beweiserhebung durch Vernehmung der Zeugen S. und H. mit der angefochtenen Entscheidung die auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 5.176,43 Euro gerichtete Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen darauf abgestellt, dass es der Klägerin oblegen habe, die Behauptung der Beklagten über einen vereinbarten Pauschalpreis zu widerlegen. Dies sei ihr nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht gelungen.
Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingereichte Berufung der Klägerin. Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und führt darüber hinaus zur Begründung ihres Rechtsmittels im Wesentlichen folgendes aus:
Sie beanstandet die Beweiswürdigung des LG. Es habe sich lediglich mit den Bekundungen der vernommenen Zeugen auseinandergesetzt. Nicht berücksichtigt habe es die für die Klägerin sprechenden Indizien und Umstände. Insbesondere habe es sich nicht mit den gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen H. sprechenden Aspekten auseinandergesetzt, die sie - die Klägerin - in dem nach der Beweisaufnahme eingereichten Schriftsatz vom 7.10.2002 dargelegt habe. Das LG habe fehlerhaft von einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gem. § 156 ZPO Abstand genommen.
Die Klägerin führt unter Bezug auf die in dem Schriftsatz vom 7.10.2002 bereits angeführten Rechnungen zu früheren Aufträgen aus, dass der Zeuge H. bereits wiederholt im Namen seiner Großmutter Aufträge an die S. GmbH erteilt habe und dabei noch nie Pauschalpreisvereinbarungen getroffen worden seien.
Außerdem bringt die Klägerin vor, es widerspreche der allgemeinen Lebenserfahrung, dass sich ein so erfahrener Installateur wie der Zeuge S. bei der Kalkulation um das mehr als Doppelte verrechnet habe.
In diesem Zusammenhang greift die Klägerin die Aussage des Zeugen H., der bekundet habe, der Zeuge S. habe ihm - dem Zeugen H. - ggü. zugegeben, sich verkalkuliert zu haben, mit der Begründung an, diese Aussage sei lebensfremd, da ein Handwerker, der sich in derart eklatanter Form verkalkuliert habe, bei einem befreundeten Kunden zumindest den Versuch unternommen hätte, eine Preisanpassung zu erlangen.
Schließlich behauptet die Klägerin, der Zeuge S habe ggü. seinen Mitarbeitern, den Zeugen K. und H. keine Befürchtungen und Ängste wegen einer Fehlkalkulation geäußert.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte in Abänderung der angefochtenen Entscheidung zu verurteilen, an die Klägerin 5.176,43 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 % (gemeint sind 5 Prozentpunkte) über dem Basiszinssatz seit dem 8.7.2002 zu zahlen.
Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Berufung.
Unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens verteidigt sie die erstinstanzliche Entscheidung und führt zu den Berufungsangriffen im Einzelnen aus.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO), das Sitzungsprotokoll der erstinstanzlichen Beweisaufnahme vom 5.9.2002, den Inhalt der im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze, sowie schließlich das Protokoll der Senatssitzung vom 2.10.2...