Entscheidungsstichwort (Thema)
Klage des Neumassegläubigers auf Schadensersatzleistung gegen Insolvenzverwalter
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Neumassegläubiger i.S.v. § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO, dessen Ersatzanspruch aus § 60 InsO erst nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit (§ 208 InsO) durch schuldhafte Pflichtverletzung des Insolvenzverwalters begründet worden ist, kann diesen auf uneingeschränkte Schadensersatzleistung verklagen und ist nicht auf die Feststellungsklage beschränkt, solange der Insolvenzverwalter nicht erneute Masseunzulänglichkeit angezeigt hat.
2. Einem aussonderungsberechtigten Gläubiger, der sein Aussonderungsrecht bezüglich der von ihm gelieferten Geräte anhand von Rechnungen konkret dargelegt hat, haftet der Insolvenzverwalter nach § 60 InsO auf Schadensersatz, wenn er das Vorbehaltseigentum zur Insolvenzmasse zieht und veräußert, ohne dass er zur Identifizierung der Geräte von den ihm durch §§ 97, 98, 101 InsO gegebenen Möglichkeiten Gebrauch gemacht und insb. nicht die Vorladung des Geschäftsführers der Schuldnerin beantragt hat.
Normenkette
InsO § 60 Abs. 1, §§ 97-98, 101, 209 Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Wuppertal (Urteil vom 26.02.2002; Aktenzeichen 14 O 100/01) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das am 26.2.2002 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des LG Wuppertal wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die Berufung bleibt ohne Erfolg.
1. Die Rüge des Beklagten, dem Leistungsantrag der Klägerin fehle das Rechtsschutzbedürfnis, greift nicht durch. Richtig ist zwar, dass Altmassegläubiger nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit, die im Streitfall am 29.10.1999 beim Insolvenzgericht eingegangen ist (GA 76), nur noch auf Feststellung der Leistungspflicht klagen können (OLG Köln v. 29.6.2001 – 19 U 199/00, OLGReport Köln 2001, 336; Landfermann in HK-InsO, § 210 Rz. 5). Die Klägerin ist jedoch Neumassegläubigerin i.S.v. § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO, da der von ihr geltend gemachte Ersatzanspruch erst nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit durch die Veräußerung des Betriebs der Schuldnerin am 4.5.2000 begründet worden ist. Ein Neumassegläubiger verliert allerdings ebenfalls das Recht, den Insolvenzverwalter auf uneingeschränkte Leistung zu verklagen, wenn sich im Laufe des weiteren Verfahrens herausstellt, dass die Insolvenzmasse nicht einmal mehr die Ansprüche der Neumassegläubiger deckt (Landfermann in HK-InsO, § 210 Rz. 5; Hefermehl in MünchKomm/InsO, § 210 Rz. 20–23). Den Eintritt der „erneuten” Masseunzulänglichkeit hat der Beklagte jedoch nicht schlüssig dargelegt. Das hat bereits das LG mit Recht beanstandet. Wie der Beklagte mit Wirkung zum 12.7.2001 zu einem Saldo von –59.073,67 DM und zum 1.1.2002 von –63.224,30 DM bzw. –57,896,71 DM gelangt, ist anhand der von ihm vorgelegten, teilweise handschriftlich ergänzten Berechnungen (GA 78–81) nämlich nicht nachvollziehbar. Insbesondere ist diesen Berechnungen nicht zu entnehmen, ob es sich bei den dort aufgelisteten unbezahlten Rechnungen ausnahmslos um Forderungen von Neumassegläubigern handelt.
2. Ebenso zutreffend hat die Kammer angenommen, dass der Beklagte der Klägerin zum Schadensersatz verpflichtet ist, weil er im Zuge der Veräußerung des Unternehmens der Schuldnerin Geräte mitverkauft hat, an denen der Klägerin ein Aussonderungsrecht zustand. Der Insolvenzverwalter haftet nach § 60 Abs. 1 InsO allen Beteiligten, wenn er schuldhaft Pflichten verletzt, die ihm nach der InsO obliegen. Beteiligte in diesem Sinne sind Personen, denen ggü. der Verwalter bestimmte insolvenzspezifische Pflichten zu erfüllen hat. Zu dem Personenkreis zählen auch die Aussonderungsberechtigten (Eickmann in HK-InsO, § 60 Rz. 9), zu denen insb. die Vorbehaltseigentümer gehören (Marotzke in HK-InsO, § 107 Rz. 12). Dem Aussonderungsberechtigten haftet der Insolvenzverwalter namentlich, wenn er dessen Rechte durch die Verwertung der betroffenen Gegenstände vereitelt (Eickmann in HK-InsO, § 60 Rz. 9). Für das Verschulden des Verwalters hat der Schuldner in diesem Fall nach § 31 BGB einzustehen (Palandt/Heinrichs, BGB, § 31 Rz. 3; Brandes in MünchKomm/InsO, §§ 60, 61 Rz. 112).
a) Der Verwalter, der unberechtigt fremdes Eigentum zur Masse zieht, handelt fahrlässig, wenn er die Sachlage unzureichend aufklärt (OLG Hamm v. 22.1.1985 – 27 U 156/84, MDR 1985, 418 = NJW 1985, 865 [867]; OLG Köln v. 10.5.1991 – 19 U 265/89, OLGReport Köln 1991, 60 = NJW 1991, 2570 [2571]). Dabei ist zu berücksichtigen, dass zu seinen Gunsten die Vermutung des § 1006 Abs. 1 BGB eingreift, wenn sich der zu verwertende Gegenstand im Besitz des Schuldners befindet. Es ist deshalb zunächst Sache dessen, der diese Sache aussondern will, die Umstände konkret darzustellen, auf die er sein Aussonderungsrecht stützt. Ohne solche Angaben kann von dem Verwalter nicht erwartet werden, dass er selbst nachforscht, ob sich Anhaltspunkte für ein Aussonderungsrecht ergeben. ...