Leitsatz (amtlich)
1. Ob die Verwertung eines Gegenstands aus einem beidseitig nicht vollständig erfüllten Vertrag durch den Insolvenzverwalter eine Erfüllungswahl i.S.d. § 103 InsO darstellt, ist nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen im Einzelfall konkret festzustellen.
2. Veräusserung i.S.d. § 48 InsO sind alle dinglichen Rechtsänderungen, mit denen der Schuldner oder Insolvenzverwalter den Vermögenswert des aussonderungsfähigen Rechts realisiert. Tatsächliche Verhaltensweisen, die einen Eigentumsverlust des Berechtigten zur Folge haben (Verbindung, Vermischung, Verarbeitung), stellen keine Veräusserung i.S.d. § 48 InsO dar.
Verfügt der Insolvenzverwalter nur über das Anwartschaftsrecht des Schuldners auf Erwerb des Eigentums an einem Gegenstand aus einem beidseitig nicht vollständig erfüllten Vertrag i.S.d. § 103 InsO und liegt darin keine Erfüllungswahl, steht dem Vertragspartner kein Ersatzaussonderungsrecht nach § 48 InsO zu.
Normenkette
InsO §§ 48, 103
Verfahrensgang
LG Wuppertal (Aktenzeichen 1 O 227/01) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 14.5.2002 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des LG Wuppertal abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Sicherheitsleistungen können auch durch Bürgschaft eines der Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht unterliegenden Kreditinstituts erbracht werden.
Tatbestand
Die Klägerin macht gegen den Beklagten einen Anspruch i.H.v. 134.727,62 DM mit Zinsen geltend.
Sie hat vorgetragen, sie fordere von dem Beklagten als Insolvenzverwalter Erfüllung eines zwischen ihr und der Schuldnerin geschlossenen Kaufvertrages, nachdem dieser eine Erfüllungswahl gem. § 103 InsO getroffen habe. Die Klägerin und die Schuldnerin hätten auf der Grundlage eines Angebots vom 3.7.2000 einen Kaufvertrag über die Lieferung von Heiz- und Isoliersegmenten zu einem Nettopreis von 145.000 DM geschlossen. Dem Angebot seien die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin beigefügt gewesen, die Inhalt des Vertrags geworden seien. Unter Ziff. 4b sei ein verlängerter Eigentumsvorbehalt mit Verarbeitungsklausel vereinbart worden.
Die Isolier- und Heizsegmente seien Bestandteil einer technischen Anlage gewesen, welche die Schuldnerin im Auftrag der I.G.C., H. & Co. in H. (im folgenden nur: I.) hergestellt habe. Die Gesamtanlage habe im Wesentlichen aus drei Teilen bestanden.
Die Klägerin habe ihre vertraglich geschuldeten Leistungen erbracht und die bestellten Segmente an die Schuldnerin ausgeliefert, und zwar zu Händen einer G.-GmbH. Hierbei habe es sich um einen weiteren Vertragspartner der Schuldnerin gehandelt, der im Wesentlichen die Montage der Anlage vorgenommen habe. Die Lieferung selbst sei Mitte August 2000 erfolgt. Dies sei unstreitig.
Wenig später sei bekannt geworden, dass die Insolvenz der Schuldnerin gedroht habe. Zu diesem Zeitpunkt habe ein bestimmter Fertigungsstand vorgelegen. Den auf diese Leistungen entfallenden Teilbetrag für die Herstellung der Gesamtanlage i.H.v. 490.000 DM habe die I. bereits an die Schuldnerin bezahlt. Die bezahlten Leistungen habe I. auch erhalten. Das betreffe insb. auch die erste Teileinheit der Gesamtanlage.
Hinsichtlich der zweiten Einheit der Anlage sei die Pyrolysegasaufbereitung zu 90 % fertig gewesen (Wert 54.000 DM), der Pyrolysereaktor zu 80 % (Wert 184.000 DM) und die Abführvorrichtung zu 38 % (Wert 21.000 DM). Die Wertermittlung stütze sich auf die Zahlungsbedingungen aus dem Vertrag zwischen Schuldnerin und I.
Die von der Klägerin gelieferten Elemente seien an den Teilen der zweiten Einheit eingebaut worden. Der Warenwert belaufe sich auf 145.000 DM netto. Im Verhältnis zum Gesamtwert der zweiten Einheit der Gesamtanlage zum damaligen Fertigungsstand i.H.v. 259.000 DM betrage der Anteil der von der Klägerin gelieferten Ware rund 55,98 %.
Unter dem 31.8.2000 habe die Klägerin Rechnung über einen Gesamtbetrag von 134.727,62 DM gestellt. Am 26.9.2000 habe die Schuldnerin Insolvenzantrag gestellt und der Beklagte sei mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1.12.2000 zum Insolvenzverwalter ernannt worden. Nach umfangreicher Korrespondenz habe der Beklagte am 11.12.2000 der Klägerin mitgeteilt, dass ein Verkauf der zweiten Teilanlage an I. zu einem Kaufpreis von 150.000 DM netto beabsichtigt sei. Daraufhin habe der Bevollmächtigte der Klägerin dem Beklagten mit Schreiben vom 21.12.2000 mitgeteilt, dass die Klägerin selbst einen Ankauf der Restanlage zu einem Preis anbiete, der über dem Kaufpreis von I. liege. Weiter heiße es dort, die Klägerin sei allerdings nur dann an einem Ankauf interessiert, sollte sie nicht im Falle eines Verkaufs an I. zu dem von ihm ins A...