Leitsatz (amtlich)

1. Der Wartepflichtige darf auf die Fahrtrichtungsanzeige eines Vorfahrtsberechtigten nur dann vertrauen, wenn über das bloße Betätigen des Blinkers hinaus zusätzliche Umstände vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass dieser tatsächlich nicht durchfahren, sondern abbiegen wird.

2. Der Geschädigte ist nicht gehalten, vor Veräußerung seines total beschädigten Fahrzeugs ein mögliches Restwertangebot der einstandspflichtigen Haftpflichtversicherung abzuwarten.

 

Normenkette

StVO § 8 Abs. 2 S. 2; BGB §§ 249, 254

 

Verfahrensgang

LG Krefeld (Urteil vom 09.10.2014; Aktenzeichen 3 O 174/12)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 09.10.2014 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des LG Krefeld unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 3.513,637 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.06.2012 zu zahlen.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 402,81 EUR zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen der Kläger zu 1/3 und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 2/3.

Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um materiellen Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall, der sich am 07.11.2011 in Nettetal ereignet hat. Die Kollision ereignete sich auf der Kreuzung der N. straße und der W.-J.-Straße. Der Kläger näherte sich mit seinem Opel Corsa aus Sicht des Beklagten zu 1), welcher einen bei der Beklagten zu 2) versicherten Ford Fiesta steuerte, von links auf der bevorrechtigten N. straße. Gegenüber des Beklagten zu 1) befand sich die Zeugin Klaps mit ihrem Pkw auf der W.-J.-Straße und beabsichtigte, nach links in die N. straße einzubiegen. Der Unfallhergang ist zwischen den Parteien streitig.

Vorgerichtlich veranlasste der Kläger ein Sachverständigengutachten und veräußerte sein Fahrzeug noch vor der Übersendung des Gutachtens an die beklagte Versicherung zu dem in dem Gutachten ausgewiesenen höchsten Restwertbetrag. Mit der Klage verlangt er Schadensersatz auf Basis des Gutachtens sowie die Erstattung der Gutachterkosten, eine Unfallkostenpauschale, Abschlepp- und Ab- und Ummeldekosten sowie Nutzungsausfall (insgesamt 5.270,51 EUR) sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten (489,45 EUR).

Der Kläger hat behauptet, der Beklagte zu 1) habe nicht an der Haltestelle zur Kreuzung gestanden. Er meint, der Unfall sei allein durch den Beklagten zu 1) verursacht worden, für ihn selbst sei der Unfall unvermeidbar gewesen.

Die Beklagten haben behauptet, der Kläger habe den rechten Fahrtrichtungsanzeiger bei seiner Annäherung an die Kreuzung betätigt und sei langsamer geworden. Der Beklagte zu 1) habe an der Haltelinie stehend annehmen dürfen, dass der Kläger nach rechts habe abbiegen wollen. Daher sei er losgefahren, noch bevor das Klägerfahrzeug in den eigentlichen Kreuzungsbereich eingefahren sei.

Das LG hat Beweis erhoben durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens und durch die Vernehmung der Zeugen N. und K.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. S. vom 10.07.2013 (Bl. 118 ff. GA) sowie auf dessen Ergänzungsgutachten vom 07.01.2014 (Bl. 187 ff. GA) sowie auf die Sitzungsniederschriften vom 26.02.2013 (Bl. 57 ff. GA) und vom 26.08.2014 (Bl. 239 ff. GA) Bezug zugenommen. Das LG hat zudem die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Krefeld - 6 Js 1633/11 - beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Dem Kläger stehe aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Schadensersatz gegen die Beklagten zu. Der Kläger habe den Verkehrsunfall alleine verursacht, da er vor der Kollision mit reduzierter Geschwindigkeit unter Betätigung des rechten Blinkers an die Kreuzung herangefahren sei. Dadurch habe er den Anschein gesetzt, nach rechts abbiegen zu wollen. Indem er dennoch - für den Beklagten zu 1) überraschend - geradeaus weitergefahren sei, habe er sich grob verkehrswidrig verhalten. Diese Feststellung beruhe auf den plausiblen und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen, welche die in sich stimmige Schilderung der Zeugin K. stützten. So komme der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass beide Fahrzeuge ungebremst kollidiert seien, was für die Schilderung des Beklagten zu 1) spreche, während dem Kläger bei Unterstellung seiner Unfalldarstellung vor der Kollision Ausweichbewegungen und eine Bremsung zumutbar und möglich gewesen seien. Die verkürzte Reaktionszeit erkläre sich vielmehr mit der Beklagtenversion des Unfallhergangs. Bestätigt werde die Schilderung des Beklagten auch durch die Aussage der Zeugin K.. Diese habe widerspruchsfrei und glaubhaft geschildert, dass das aus ihrer Sicht von rechts heranfahrende Klägerfahrzeug nach rechts geblinkt und seine Ge...

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