Leitsatz (amtlich)
Wird einem Versicherungsnehmer eine auf den ersten Blick sehr wertvolle Armbanduhr vom Handgelenk gestohlen,
- während er nachts als einziger Fahrgast in einem Zugabteil sich aus den Sitzen und seinem zusammengerollten Jackett eine Art Liegestatt bereitet hat,
- er sich so hingelegt hat, dass der Arm mit Uhr zum Gang zeigt,
- die Uhr wegen seines kurzärmeligen Hemds vom Gang aus sofort sichtbar ist und
- er dann so fest einschläft ist, dass er weder das Eindringen des Diebs noch das Abziehen der Uhr vom Arm bemerkt,
so hat er den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt. Denn sein Verhalten hat den für einen solch wertvollen Gegenstand vertragsgemäß vorausgesetzten Sicherheitsstandard deutlich unterschritten.
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Urteil vom 15.12.2004; Aktenzeichen 11 O 247/03) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Düsseldorf vom 15.12.2004 - 11 O 247/03 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.
In Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens behauptet die Klägerin, der Zeuge M. habe in einem beleuchteten Abteil gesessen. Weitere Änderungen oder Ergänzungen des beiderseitigen Tatsachenvortrags sind in der Berufung nicht erfolgt.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des LG Düsseldorf vom 15.12.2004 - 11 O 247/03 - zu verurteilen, an sie 38.612,76 EUR nebst Verzugszinsen hieraus i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 18.4.2003 zu zahlen, hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, an sie eine Entschädigung in Gestalt einer neuen Herrenarmbanduhr der Marke Cartier, Modell "Pasha" mit Brillianten zu leisten sowie Verzugszinsen i.H.v. 5 % aus 38.612,78 EUR seit dem 18.4.2003 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
II. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
Das LG ist zutreffend davon ausgegangen, dass das von der Klägerin selbst behauptete Verhalten des Zeugen M. in objektiver und subjektiver Hinsicht den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit rechtfertigt.
Ein Herbeiführen des Versicherungsfalles i.S.v. § 61 VVG liegt nach der Rechtsprechung des BGH vor, wenn der Versicherungsnehmer durch sein Verhalten - Tun oder Unterlassen - den als vertragsgemäß vorausgesetzten Standard an Sicherheit ggü. der Diebstahlsgefahr deutlich unterschritten hat. Dabei geht der BGH weiterhin davon aus, dass z.B. die Gefahr eines Diebstahls aus einem Pkw erfahrungsgemäß deutlich erhöht ist, wenn im Innenraum eines Pkw stehlenswert erscheinende Gegenstände von außen sichtbar liegen. Denn das veranlasse den potentiellen Täter leichter, in das Wageninnere einzudringen und diese Gegenstände zu entwenden, so dass bei einem solchen Zurücklassen von Gegenständen durch den Versicherungsnehmer unter Umständen, die nach Örtlichkeit, Tageszeit und ähnlichem einen Diebstahl nahelegen, regelmäßig von einem Unterschreiten des vereinbarten Sicherheitsstandards auszugehen sei (BGH v. 12.10.1988 - IVa ZR 46/87, MDR 1989, 337 = NJW-RR 1989, 213 [214]).
Unter Anwendung dieser Grundsätze ist auch hier ein deutliches Unterschreiten des vorausgesetzten Sicherheitsstandards durch den Zeugen M. festzustellen. Bei der von ihm getragenen Uhr handelte es sich um einen auf den ersten Blick als stehlenswert erscheinenden Gegenstand. Die Uhr war in ihrer Erscheinung auffällig und erkennbar wertvoll. Dadurch, dass sie unbedeckt und nach dem Vorbringen der Klägerin vom Zeugen M. an dem Arm getragen wurde, der dem Gang zugewandt war, musste sie jedem, der das Zugabteil passierte und hinein blickte, ins Auge fallen. Dass es im Abteil dunkel war, so dass die Uhr hierdurch den Blicken Dritter entzogen war, hat die Klägerin nicht behauptet. Ohne den Vortrag, der Zeuge M. habe das Licht im Abteil gelöscht oder ein bereits verdunkeltes Abteil betreten, war aber bereits in erster Instanz von einem beleuchteten Abteil auszugehen, da eine solche Beleuchtung in Zügen der Deutschen Bahn das Übliche ist. Ins Auge fallen musste einem das Abteil des Zeugen M. passierenden Dritten auch, dass sich der allein im Abteil befindliche Zeuge M. ersichtlich längerfristig dem Schlaf hingegeben hatte. Er hatte sich hierzu eine Art Liegestatt errichtet und, wie er in der Verhandlungsniederschrift vom 9.7.2002 selber angegeben hat (Bl. 84 Mitte GA und Bl. 87 unten GA), das Jackett ausgezogen und als "Kopfkissen" benutzt. Dieses Verhalten ist dem oben genannten Zurücklassen eines wertvollen Gegenstandes vergleichbar. Der Zeuge hatte sich erkennbar der Möglichkeit begeben, einen drohenden Diebstahl rechtzeitig zu bemerken und hierauf zu reagieren. Das eine sol...