Leitsatz (amtlich)
1. Einer im US-Bundesstaat Delaware gegründeten „Corporation” ist entgegen Art 25 Abs 5 S 2 des deutsch-amerikanischen Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrages vom 29.10.1954 in der Bundesrepublik Deutschland die Anerkennung zu versagen, wenn die Gesellschaft keine tatsächlichen, effektiven Beziehungen zum amerikanischen Gründungsstaat hat (sog „genuine link”) und sämtliche Aktivitäten in der Bundesrepublik entfaltet. Es handelt sich dann um eine rechtsmißbräuchliche Umgehungsgründung zu dem Zweck, unter Ausnutzung der „liberalen bis laxen” Rechtsordnung des US-Bundesstaates Delaware im deutschen Inland sämtliche gesellschaftlichen und geschäftlichen Aktivitäten zu entfalten (sog „pseudo-foreign Corporation”).
2. Derjenige, der für eine derartige nach deutschem Recht nicht wirksam gegründeten Kapitalgesellschaft handelt, haftet analog GmbHG § 11 Abs 2, AktG § 41 Abs 1 S 2 persönlich.
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das am 1. Februar 1994 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Klägerin von den Gerichtskosten der ersten Instanz einen Teilbetrag von 415 DM zu tragen hat.
Die Kosten der Berufungsinstanz werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 104.000 DM abzuwenden, falls nicht die Klägerin vor Beginn der Zwangsvollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Sicherheiten können auch durch selbstschuldnerische Bürgschaften einer deutschen Großbank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse erbracht werden.
Tatbestand
Die Klägerin ist die deutsche Repräsentanz und Tochtergesellschaft der D. + D. F. Inc., eine US-amerikanischen Brokerfirma in der Rechtsform einer amerikanischen Aktiengesellschaft mit Sitz in N. Y.. Sie nimmt den Beklagten aus abgetretenem Recht ihrer US-amerikanischen Muttergesellschaft auf Ausgleich des Sollsaldos in Anspruch, der durch Termingeschäfte entstanden ist, die der Beklagte im Namen der „First O. I. Corporation” (folgend: First O. Corp.) in Auftrag gegeben hat.
Durch Gesellschaftsvertrag vom 01.08.1991 wurde die First O. Corp. als Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach dem Recht des Staates D./USA gegründet (59 GA). Im Namen dieser Gesellschaft unter der Anschrift K. in D. unterzeichnete der Beklagte am 23.01.1992 einen Antrag auf und eine Vereinbarung über die Eröffnung eines Warenterminkontos bei der Muttergesellschaft der Klägerin (folgend: Zedentin), in dem er u.a. angab, seit 1972 Erfahrung im Geschäft mit Wertpapieren, Aktienoptionen und Terminanlagen zu haben (7, 33 GA). Diesem – von der Zedentin unter dem 29.01.1992 angenommenen Antrag – war eine vom Beklagten als „Secretary” unter dem 23.01.1992 – ohne Ortsangabe unterzeichnete und mit Körperschaftssiegel des US-Bundesstaates D. von 1991 versehene Erklärung über getroffene Gesellschafterbeschlüsse („Corporate Resolutions”) beigefügt. In dieser Erklärung bescheinigte der Beklagte als „Secretary” der First O. Corp., der Verwaltungsrat („Board of Directors”) habe u.a. am 15.01.1992 beschlossen, bei der Zedentin Konten u.a. für Warentermingeschäfte einzurichten und zu unterhalten sowie zu deren Durchführung dem Beklagten und Herrn G. T. (dem ursprünglichen Beklagten zu 1) umfassende Vollmachten zu erteilen (8, 47-49 GA).
Darüber hinaus bestätigte der Beklagte durch Unterschrift, die von der Zedentin verwendete Risikoaufklärungsschrift erhalten und verstanden zu haben (9, 40 GA). Ferner unterzeichnete er im Namen der First O. Corp. eine Kundenvereinbarung und eine Warenoptionsvereinbarung. In diesen Vereinbarungen ist die Geltung des Rechtes des US-Staates New York vereinbart und verpflichtet sich der Kunde u.a., dem Broker alle Aufwendungen und Auslagen zu erstatten. Wegen der Einzelheiten der getroffenen Vereinbarungen wird auf die in deutscher Übersetzung zu den Akten gereichten Vertragsunterlagen Bezug genommen (34-46 GA).
Im Handelsregister des Amtsgerichts Düsseldorf ist seit dem 06.03.1992 die Zweigniederlassung der First O. Corp. mit Sitz in W./D./USA eingetragen, wobei der Beklagte als Geschäftsführer angegeben ist (59 GA). In dem vom Beklagten verwendeten Briefkopf wird der Hauptsitz („Headquarters”) der First O. Corp. mit „W. D.C.” angegeben und eine Adresse in A. im US-Bundesstaat V. mit Telefon- und Fax-Anschluß aufgeführt. Darunter ist als Sitz der „Niederlassung” die Anschrift in D. angegeben, unter der der Beklagte den an die Zedentin gerichteten Antrag auf Eröffnung eines Warenterminkontos gestellt hat (7, 10 GA).
Auf den Namen der First O. Corp. eröffnete die Zedentin ein Warenterminkonto mit der Nr. … und führte in der Zeit von April 1992 bis September 1992 eine Reihe von Termingeschäften durch. Ausweislich der von der Klägerin zu den Akten gereichten Monatsauszüge weist das Konto der First O. Corp. einen Sollsaldo von 53.262,53 US-Dollar auf, der Gegenstand der Klage ist. Ursprünglich hatt...