Entscheidungsstichwort (Thema)
Wettbewerbsverstoß wegen Verletzung der Pflicht zur Angabe eines Grundpreises: Angebot einer Ware nach Gewicht - Aminosäurekapseln
Leitsatz (amtlich)
1. Die Pflicht zur Angabe eines Grundpreises nach § 2 Abs. 1 Satz 1 PAngV knüpft an die Verpflichtung zur Angabe von Gewicht, Volumen, Länge oder Fläche der in einer Verkaufseinheit angebotenen Ware an. Aminosäureprodukte sind Nahrungsergänzungsmittel im Sinne des § 1 NemV und dürfen aufgrund einer gesetzlichen Kennzeichnungspflicht nur unter Angabe der Füllmenge nach Gewicht angeboten und beworben werden.
2. Nach Art. 23 Abs. 3 LMIV i.V.m. Anhang IX Nr. 1c ist die Angabe der Nettofüllmenge nicht verpflichtend bei Lebensmitteln, die normalerweise nach Stückzahlen in den Verkehr gebracht werden, sofern die Stückzahl von außen leicht zu sehen und einfach zu zählen ist oder andernfalls in der Kennzeichnung angegeben ist. Die Frage, ob ein Lebensmittel im Sinne dieses Ausnahmetatbestandes "normalerweise nach Stückzahlen in den Verkehr gebracht" wird, beurteilt sich nach der Verkehrsauffassung aus Sicht eines verständigen Durchschnittsverbrauchers.
3. Maßgeblich ist insofern nicht, ob das konkrete streitgegenständliche Produkt in einer bestimmten Darreichungsform - z.B. in Kapselform - angeboten wird, sondern zu betrachten ist das Lebensmittel als solches. Wird dieses in unterschiedlichen Darreichungsformen, also beispielsweise im Fall von Nahrungsergänzungsmitteln in Pulverform, Tablettenform oder auch in Kapselform, angeboten, so ist kein Raum für die Anwendung der Ausnahmeregelung des Art. 23 Abs. 3 LMIV i.V.m. Anhang IX Nr. 1c.
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Aktenzeichen 34 O 65/19) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 5. Februar 2020, 34 O 65/10, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziffer I. des Urteils wie folgt ergänzt wird:
"... ohne in unmittelbarer Nähe zum Gesamtpreis auch den Grundpreis - bezogen auf das Gewicht - anzugeben ..."
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das vorliegende Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Klägers hinsichtlich des Unterlassungstenors zu Ziffer I. gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von EUR 10.000,- und hinsichtlich der Kosten des Rechtsstreits gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
A. Beide Parteien vertreiben über ihre Online-Shops im Internet Nahrungsergänzungsmittel.
Der Kläger ist Inhaber exklusiver Vertriebsrechte für drei namhafte Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln für Spitzen-, Breiten- und Alltagssportler, in einem Fall exklusiv für Deutschland, in einem Fall für Nordrhein-Westfalen-Süd und in einem Fall für ein enger begrenztes Gebiet. Diese Produkte gibt er als Großhändler an gewerbliche Weiterverkäufer, insbesondere Fitnessstudios ab. Außerdem betreibt er seit mehreren Jahren in Stadt 1 ein Ladengeschäft mit großen Verkaufsflächen, auf denen Nahrungsergänzungsmittel und (wenige) Kleidungsstücke zum Verkauf vorgehalten werden. Ein ähnliches Ladengeschäft hat er bis zum Jahr 2019 auch in Stadt 2 betrieben.
Der Kläger spricht mit seinem Produktangebot vordringlich Sportler, insbesondere Bodybuilder, an. Unter anderem vertreibt er das Produkt A. (vgl. Anlage BK 3), das zu 78,3 % aus Aminosäuren besteht. Die Packung enthält 300 Tabs und kostet 29,95 Euro. Der Kilogrammpreis wird mit 41,60 Euro angegeben.
Die Beklagte betreibt eine Apotheke in Stadt 3 und vertreibt ihre Produkte daneben online unter der Domäne www...b..de. Über ihre Versandapotheke bot sie im Februar 2019 das Nahrungsergänzungsmittel "C. Vital Kapseln 30 St Kapseln" an (vgl. Anlage K1, Bl. 72 GA). Die Produktbeschreibung weist die enthaltenen Aminosäuren im Einzelnen nach deren prozentualem Anteil an der Gesamtmenge aus. Hiernach enthalten die Kapseln zu 65,3 % Aminosäuren, bei den restlichen 34,7 % handelt es sich um Füllstoffe, Trennmittel und Farbstoffe. Jede Packung enthält 30 Stück Kapseln und wird zum Preis von 4,36 Euro angeboten. Auf der äußeren Verpackung befindet sich außerdem die Angabe, dass das Gewicht der 30 Kapseln insgesamt 27,9 Gramm beträgt.
Der Kläger sprach im ersten Halbjahr 2019 insgesamt 39 Abmahnungen in drei Komplexen aus. Der 1. Komplex betraf reine Fitnessernährungsanbieter auf D.. Der 2. Komplex bestand aus 25 Abmahnungen wegen Verstoßes gegen § 2 PAngV, die unter dem 05.02.2019 wortgleich versandt worden sind. Der 3. Komplex setzte sich aus einer Handvoll von Gegenabmahnungen zusammen, die der Kläger gegenüber ihn Abmahnenden wegen des ihm zuvor von diesen vorgeworfenen Verhaltens ausgesprochen hat.
Der Beklagten ist - nachdem der entsprechende Antrag erstinstanzlich zunächst zurückgewiesen worden war - durch einstweilige Verfügung des Senats vom 15....