Verfahrensgang

LG Düsseldorf (Aktenzeichen 4c O 41/20)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 10. Juni 2021 verkündete Urteil der 4c Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf (Az. 4c O 41/20) abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz trägt die Klägerin.

III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.000.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

A. Die Klägerin ist die im Register des Deutschen Patent- und Markenamtes eingetragene Inhaberin des deutschen Teils des Europäischen Patents EP X XXX XXX (nachfolgend: Klagepatent; vorgelegt in Anlage A1), aus dem sie die Beklagte auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung, Vernichtung und Rückruf patentgemäßer Erzeugnisse sowie auf Feststellung der Verpflichtung zum Schadensersatz und zur Leistung einer angemessenen Entschädigung in Anspruch nimmt.

Das Klagepatent trägt den Titel "Kabelwickelband, insbesondere für den Motorenraum eines Automobils". Die ihm zugrundeliegende Anmeldung wurde am 30.07.2007 unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 11.10.2006 eingereicht und am 16.04.2008 veröffentlicht. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents wurde am 20.01.2010 im Patentblatt bekannt gemacht.

Das Klagepatent steht in Kraft. Die durch die Beklagte mit Schriftsatz vom 09.09.2020 (Anlage KR 2) gegen das Klagepatent erhobene Nichtigkeitsklage mit dem Az. X Ni X/XX (EP) [ehemaliges Az. X Ni X/XX (EP)] hat der 3. Nichtigkeitssenat des Bundespatentgerichts in der mündlichen Verhandlung vom 11.10.2022 abgewiesen.

Der im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemachte Anspruch 1 des Klagepatents lautet wie folgt:

"Kabelwickelband, insbesondere für den Motorenraum eines Automobils, welches die Abriebklasse E gemäß LV 312 erfüllt, mit einem bandförmigen Träger (1), der mindestens auf einer Seite mit einer selbstklebenden Klebeschicht (2) versehen ist, die aus einem Haftklebstoff besteht, gekennzeichnet durch eine Dicke (D) von weniger als 0,50 mm, wobei der Träger (1) aus einer einzigen aus einem Gewebe gebildeten Schicht besteht und das Gewebe des Trägers (1) aus einem Garn besteht, welches aus einem Polyamidwerkstoff gebildet ist, eine Garnstärke von mindestens 280 dtex aufweist und aus 24 bis 80 Filamenten gebildet ist, wobei das Kabelwickelband sowohl an einem Dorn mit 5 mm Durchmesser, als auch an einem Dorn mit 10 mm Durchmesser die Abriebklasse E gemäß LV 312 erfüllt."

Das Unternehmen der Beklagten, das unter anderem über einen Standort in W. verfügt, produziert technische Klebebänder für die Automobilbranche, aber auch für die Elektrotechnik, das Isolierhandwerk und den Bau.

Im Rahmen eines Testkaufs erwarb die Klägerin Ende 2019 bei der D GmbH das von der Beklagten hergestellte Kabelwickelband "E" (nachfolgend: angegriffene Ausführungsform). Im Anschluss ließ die Klägerin die angegriffene Ausführungsform durch das F-Institut überprüfen. Der Prüfbericht befindet sich als Anlage A8a bei den Akten; einen ergänzenden Prüfbericht hat die Klägerin als Anlage A 11 zur Akte gereicht.

Die Klägerin ist der Auffassung, die angegriffene Ausführungsform mache unmittelbar wortsinngemäßen Gebrauch von Anspruch 1 des Klagepatents. Vor dem Landgericht hat sie geltend gemacht:

Anspruch 1 setze nicht die Verwendung eines (einheitlichen) Ausgangsfadens für die Kett- und Schussfäden voraus; vielmehr sei es ebenso vom Schutzbereich der Erfindung umfasst, wenn für die Kett- und die Schussfäden unterschiedliche Garne verwendet würden, sofern nur beide die Materialvorgaben hinsichtlich der Garnstärke und der Filamentanzahl erfüllen würden.

Dies sei bei der angegriffenen Ausführungsform der Fall. Die Prüfung der angegriffenen Ausführungsform habe in der Kette eine Garnstärke von 480 dtex ergeben; der Kettfaden bestehe aus 67 Filamenten. Hinsichtlich des Schussfadens sei eine Prüfung durch die kurze Messstrecke erschwert. Im Schuss sei eine Anzahl von 65 bzw. 71 Filamenten gezählt worden. Mithilfe der Gleichung für die Titererrechnung und anderer bekannter Größen wie dem Flächengewicht und der Filamentanzahl habe eine Garnstärke von mindestens 462 dtex errechnet werden können, die ebenfalls im patentgemäßen Bereich liege.

Soweit - wie von der Beklagten vorgetragen - im Schuss gefachtes Garn verwendet werde, schließe dies eine Verwirklichung der klagepatentgemäßen Lehre nicht aus. Denn der Anspruch umfasse auch die Herstellung des Gewebes mit einem Garn aus zwei Fäden; hierunter verstehe man die Verwendung von zwei parallel verlaufenden unverzwirnten Filamentbündeln. Beim Webvorgang würden diese so eng zusammengeschoben, dass sie im Gewebe nicht zu unterscheiden seien und...

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