Leitsatz (amtlich)
1. Darlegungs- und beweisbelastet für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 110 Abs. 1 ZPO ist der Beklagte. Ihm obliegt es, Tatsachen vorzutragen, an Hand derer sich die genannte negative Feststellung (..."gewöhnlicher Aufenthalt nicht in der Europäischen Union...") treffen lässt; ein schlichtes Bestreiten bzw. Bestreiten mit Nichtwissen der vom Kläger vorgetragenen Tatsachen, aus denen sich ein Sitz innerhalb der Europäischen Union ergeben soll, genügt nicht. An die Vortragslast des Beklagten dürfen allerdings keine überspannten Anforderungen gestellt werden. Er hat in der Regel keine eigenen Kenntnisse über die interne Organisationsstruktur des Klägers und kann diese auch nicht von sich aus ermitteln. Dem Kläger ist die erforderliche Aufklärung hingegen regelmäßig ohne weiteres möglich und auch zumutbar, so dass ihn eine sekundäre Darlegungslast trifft. Es genügt deshalb, dass der Beklagte plausible Anhaltspunkte aufzeigt, aus denen sich ergibt, dass der Kläger seinen tatsächlichen Verwaltungssitz nicht in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum hat.
2. Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 110 Abs. 1 ZPO kann im Freibeweisverfahren festgestellt werden, da es sich bei dem Verlangen nach Leistung einer Prozesskostensicherheit um eine prozesshindernde Einrede handelt und die Einrede die Zulässigkeit der Klage betrifft.
3. Ob an einem Ort der tatsächliche Verwaltungssitz einer juristischen Person besteht, ist rein tatsächlich zu bestimmen. Wenn festzustellen ist, dass an einem Ort mit einer gewissen Verfestigung die tatsächliche Umsetzung der Unternehmensleitungsentscheidungen durch die dazu berufenen Vertretungsorgane erfolgt, kommt es nicht darauf an, ob dies in rechtlich zutreffender Weise und ggfs. mittels aller hierfür erforderlicher Verträge sowie unter vollständiger Beachtung steuerrechtlicher Normen geschieht.
4. Ob und wenn ja, in welcher Höhe der Kläger an dem tatsächlichen Verwaltungssitz über Vermögen verfügt, ist ohne Bedeutung. Die Prozesskostensicherheit bezweckt nicht den Schutz vor einem ggfs. vermögenslosen Schuldner eines etwaigen Kostenerstattungsanspruchs, sondern soll die Schwierigkeiten bei der Vollstreckung eines Titels im Ausland, d.h. außerhalb der EuGVVO bzw. des Luganer Übereinkommens vermeiden.
5. Als Ersatzempfänger i.S.v. Art. Art. 14 EuZustVO sind vor allem im Betrieb des Adressaten beschäftigte oder auch nur anwesende Personen anzusehen, die zur Entgegennahme der Sendung berechtigt sind und den Empfang bestätigen bzw. den Rückschein unterzeichnen. Dies kann auch eine Rezeptionist einer Rezeption in einem Bürogebäude sein, die für mehrere der dort ansässigen Unternehmen tätig ist.
6. Für die Zustellmöglichkeit nach der EuZustVO kommt es weder darauf an, dass die Adresse des tatsächlichen Verwaltungssitzes jedermann gegenüber bekannt gegeben worden ist, noch dass diese Adresse mit der in der Klageschrift angegebenen ladungsfähigen Anschrift identisch ist.
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Urteil vom 31.05.2016; Aktenzeichen 4a O 21/15) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des LG Düsseldorf vom 31.05.2016 und das Zwischenurteil des LG Düsseldorf vom 25.06.2015 des Verfahrens 4a O 21/15 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die Klage zulässig ist.
II. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das LG Düsseldorf zurückverwiesen.
III. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Eine Verpflichtung der Klägerin, Prozesskostensicherheit gem. § 110 ZPO zu leisten, besteht nicht. Die Klage ist zulässig. Die Sache ist deshalb unter Aufhebung des Zwischenurteils vom 25.06.2015 sowie des angefochtenen Urteils vom 31.05.2016 und des Verfahrens - da eine weitere Verhandlung in der Sache erforderlich ist - an das LG gem. § 538 Abs. 2 Nr. 3 ZPO zurückzuverweisen (OLG Frankfurt NJW 1995, 538; Zöller/Herget ZPO § 538 Rn. 35).
I. Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin, die die Beklagten wegen Verletzung des EP 1 252 268 (Anlage W&C 4, nachfolgend Klagepatent) in Anspruch nimmt, Sicherheit wegen der Prozesskosten zu leisten hat.
Die Klägerin, welche sich mit der Verwertung des Klagepatents sowie ggfs. anderer Schutzrechte derselben Patentfamilie und der Geltendmachung von Ansprüchen befasst, die sich aus der Verletzung der entsprechenden Schutzrechte ergeben können, ist eine Gesellschaft englischen Rechts mit Satzungssitz in X. Im britischen Handelsregister ("Companies House") ist seit dem 08.02.2017 als Ort des nach Abschnitt 9 des Companies Act 2006 für juristische Personen vorgeschriebenen "Registered Office" die im Rubrum angegebene Anschrift angegeben. Im Zeitpunkt der Klagerhebung war als Anschrift des "Registered Office" die im Rubrum der Klageschrift als Adresse der Klägerin genannte Anschrift "xx TX, X/England" eingetragen (Anlage ROP 3). Jene Adresse ist für weitere 22 Gesellsch...