Leitsatz (amtlich)
1. Das Rückforderungsrecht eines Vorschussleistenden kann sich im Wege der Auslegung eines Prozessvergleichs auch als aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) entwickelter Anspruch ergeben, wobei maßgeblich für das Entstehen des Rückforderungsanspruchs der Wegfall des mit der Vorschusszahlung verbundenen Zwecks ist.
2. Ein Vorschuss ist vom Auftraggeber jedenfalls dann nicht zurückzuzahlen, wenn - im Zivilprozess allein maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz -
a. den Vorschuss bereits zweckentsprechend verbraucht hat und eine Rückforderung des Auftragnehmers nach dem "dolo agit"-Grundsatz gem. § 242 BGB treuwidrig wäre,
b. der Auftraggeber die Kosten, deren Finanzierung der Vorschuss dient, zwar noch nicht hatte, diese ihm jedoch deshalb alsbald entstehen werden, weil er bereits Unternehmer mit der Ersatzvornahme beauftragt hat und eine Rückforderung des Auftragnehmers nach dem "dolo agit"-Grundsatz gem. § 242 BGB daher ebenfalls treuwidrig wäre,
c. er einen Unternehmer mit der Ersatzvornahme zwar noch nicht beauftragt hat, deren Beauftragung aber nach der Überzeugung des Gerichts unmittelbar bevorsteht und (weitere) Kosten daher alsbald entstehen.
3. Die Klärung etwaiger Kostendifferenzen (hier: wegen etwaiger Abweichungen in Stärke/Positionen/Anzahl von Innen-/Außenwänden) sind nicht Gegenstand des Verfahrens auf Rückzahlung des Vorschusses, sondern der später notwendigen Abrechnung des Vorschusses vorzubehalten.
4. Das notwendige Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO) an einer (inzidenten) Widerklage auf Ersatz von Schäden aus einer vorläufigen Vollstreckung kann aus § 717 Abs. 2 Satz 2 ZPO folgen.
5. Befindet sich der anspruchsbegründende Sachverhalt bzw. Schaden im Zeitpunkt der Erhebung der Widerklage noch in der Fortentwicklung, ist die Feststellungswiderklage insgesamt zulässig, auch wenn der Anspruch ggf. bereits teilweise beziffert werden könnte.
6. Auch der Schaden aus einem vollstreckungsrechtlich korrekten Verhalten des Titelgläubigers ist bei späterer Aufhebung/Abänderung des vorläufig vollstreckbaren Titels von ihm grundsätzlich verschuldensunabhängig zu ersetzen.
7. Die Nichtzahlung bzw. Nichthinterlegung des vorläufig vollstreckbaren Betrages durch den Titelschuldner stellt sich nicht als im Rahmen von §§ 717 Abs. 2 ZPO, 254 Abs. 2 Satz 2 BGB zu berücksichtigendes Mitverschulden, da der Vollstreckungsgläubiger im Rahmen von § 717 Abs. 2 ZPO grundsätzlich das volle Schadensrisiko bei einer Vollstreckung aus einem lediglich vorläufig vollstreckbaren Titel trägt.
Verfahrensgang
LG Krefeld (Urteil vom 24.10.2013; Aktenzeichen 3 O 335/12) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des LG Krefeld vom 24.10.2013 teilweise abgeändert und wie folgt neugefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Auf die Widerklage wird festgestellt, dass die Kläger dem Beklagten jedweden Schaden zu ersetzen haben, der ihm bereits entstanden ist oder noch entstehen wird aus der Vollstreckung des vorläufig vollstreckbaren Urteils des LG Krefeld vom 24.10.2013 - 3 O 335/12
a. durch Eintragung einer Zwangssicherungshypothek i.H.v. 60.000 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 31.10.2012 auf dem Hälfteanteil des Beklagten des Anwesens M. in T.,
b. durch die im Rahmen des Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des AG Kempen vom 7.1.2014 (15 M 10/14) betriebene Pfändung eines Kontos des Beklagten bei der Sparkasse K.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden den Klägern auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger dürfen die Zwangsvollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Die Kläger verlangen vom Beklagten die Rückzahlung eines von ihnen im Rahmen von Ziff. 7 des Prozessvergleichs vom 21.11.2006 (LG Krefeld, 3 O 392/04) zur mangelfreien Neuerrichtung des Kellergeschosses der beiden Doppelhaushälften "M. in T." an den Beklagten geleisteten Kostenvorschusses i.H.v. 60.000 EUR nebst Verzugszinsen. Wegen weiterer Einzelheiten wird gem. § 540 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Das LG hat der Klage nach Hinweisen (42/89 ff. GA) und Erörterung (111 ff. GA) sowie Vernehmung der Zeugin (Architektin) B. (86/112 ff. GA) - mit Ausnahme eines Teils der Zinsen (für den Zeitraum bis zur Rechtshängigkeit) - entsprochen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Den Klägern stehe als Gesamtgläubiger i.S.v. § 428 BGB ein durchsetzbarer Anspruch auf Rückzahlung des aufgrund des Vergleichs geleisteten Vorschusses zu. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 14.1.2010 - VII ZR 108/08, BGHZ 183, 366) sei hier von einem im Zeitpunkt der Klageerhebung bereits fälligen Rückzahlungsanspruch der Kläger auszug...