Entscheidungsstichwort (Thema)
Entscheidung über Ablehnungsgesuch gegen Sachverständigen im Urteil verfahrensfehlerhaft. Inzidenterprüfung durch Berufungsgericht. Unzulässigkeit des Befangenheitsgesuchs bei streitigem Verhandeln nach Sachverständigenanhörung. Verkehrssicherungspflichten des Reiseveranstalters bei Gefahrensituation im Vertragshotel
Leitsatz (amtlich)
- Die Bescheidung eines gegen einen Sachverständigen gerichteten Ablehnungsgesuchs im die Instanz abschließenden Urteil ist grundsätzlich verfahrensfehlerhaft, da auf diese Weise der Partei der Beschwerderechtszug abgeschnitten wird. Ein solcher Verfahrensfehler stellt einen Berufungsgrund dar.
- Das Berufungsgericht berechtigt, im Rahmen des Berufungsverfahrens inzidenter über den Befangenheitsantrag mitzuentscheiden, ohne die Sache gem. § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO auf Antrag des Klägers hin aufheben und an das Erstgericht zurückverweisen zu müssen.
- Hat die Partei durch ihren Prozessbevollmächtigten nach Abschluss der in der letzten mündlichen Verhandlung durchgeführten mündlichen Anhörung des Sachverständigen die Sachanträge gestellt, ohne eine entsprechende Befangenheit des Sachverständigen zu rügen oder sich entsprechendes Vorbringen ausdrücklich vorzubehalten, ist ein Befangenheitsgesuch gegen diesen Sachverständigen bereits unzulässig.
- Zur Haftung des Reiseveranstalters aus § 651f BGB und aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Verstoßes gegen eine Verkehrssicherungspflicht bei einem Unfall im Vertragshotel.
- Der Reiseveranstalter muss sich selbst überzeugen, dass von Treppen und Aufzügen, elektrischen Anlagen und sonstigen Einrichtungen im Vertragshotel keine Gefahren für die von ihm dort unterzubringenden Hotelgäste ausgehen.
- Auch wenn ein Vertragshotel einmal als ordnungsgemäß befunden wurde, befreit dies den Reiseveranstalter nicht, sich regelmäßig durch einen sachkundigen und pflichtbewussten Beauftragten vor Ort zu vergewissern, dass der ursprüngliche Zustand und Sicherheitsstandard noch gewahrt ist.
- Hinsichtlich der Verkehrssicherungspflichten bei einem Urlaubsaufenthalt im Ausland kann nicht auf deutsche Standards abgestellt werden. Insoweit sind vielmehr auch die besonderen Verhältnisse im Zielland zu berücksichtigen.
Normenkette
ZPO § 406; BGB § 651 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Duisburg (Urteil vom 25.03.2014; Aktenzeichen 1 O 261/12) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Duisburg vom 25.3.2014 - 1 O 261/12, wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Dieses Urteil und die angegriffene Entscheidung sind hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I. Die Beklagte betreibt eine Reiseagentur.
Der Kläger nimmt sie auf Schadensersatz und Schmerzensgeld aufgrund eines im Urlaub erlittenen Sturzes in Anspruch.
Der Kläger buchte bei der Beklagten für sich, seine Ehefrau und sein damals zweijähriges Kind eine Pauschalreise mit Aufenthalt im Strandhotel H. P: L. R. in S., T. für den Zeitraum 14. 10. bis 24.10.2008.
Von der dortigen Strandpromenade gelangte man über eine nach unten führende sechsstufige Steintreppe zu den sanitären Anlagen des Hotels. Die Treppe war 184,5 cm breit. In das vom Strand aus gesehen obere Podest war ein rund 175 cm breites Wasserbecken eingelassen, in dem man die Füße säubern konnte. Vom Strand aus gesehen rechts der Treppe befand sich ein an einer Mauer befestigter Handlauf. Linksseitig war kein Handlauf angebracht.
Am 17.10.2008 stürzte der Kläger auf dem Weg vom Strand zu den sanitären Anlagen des Hotels auf dieser Treppe.
Dabei zog er sich u.a. Frakturen des Jochbeins, der knöchernen Augenhöhle und der Kieferhöhlenwand zu. Es schlossen sich mehrmonatige Krankenhausaufenthalte zunächst in der Türkei, anschließend in Deutschland sowie weitere mehrmonatige ambulante ärztliche Behandlungen an.
Mit Schreiben vom 19.12.2008 zeigte der Kläger der Beklagten an, dass er sie auf die Folgen des Unfallereignisses in Anspruch nehmen wolle. Mit Schreiben ihrer Haftpflichtversicherung vom 20.1.2009 lehnte die Beklagte jegliche Haftung ab.
Der Kläger leitete daraufhin am 30.1.2009 ein selbständiges Beweisverfahren ein, das vor dem LG Duisburg unter dem Az. 2 OH 43/9 geführt wurde. Dort erstattete der gerichtlich bestellte Sachverständige Dr. K. unter dem 20.10.2010 ein erstes Gutachten (Beiakte LG Duisburg 2 OH 43/9, hinten), das er durch Stellungnahme vom 11.4.2011 (Beiakte Bl. 178a ff.) ergänzte.
Mit Schriftsatz vom 2.8.2012 erhob der Kläger Klage im Hauptsacheverfahren.
Hinsichtlich des Sturzes hat der Kläger behauptet, er habe am Unfalltag gegen 16:10 Uhr erstmals den Weg über diese Treppe genommen. Als er aus dem vorgelagerten Wasserbecken hinaus getreten sei, habe er zwei Damen bemerkt, die ihm auf seiner rechten Seite der Treppe entgegengekommen seien, um s...