Verfahrensgang
LG Krefeld (Urteil vom 13.08.1992) |
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das am 13. August 1992 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld wird zurückgewiesen.
Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Kläger sind Eigentümer eines mit einem Einfamilienwohnhaus bebauten Grundstücks in K.-F.. Nördlich des Grundbesitzes liegt ein größeres Gelände, welches früher ausgekiest worden ist und seit dem Jahre 1988 der Beklagten gehört. Es ist nach Schließung der Deponie nicht rekultiviert worden; auf ihm wachsen Sträucher, sonstiger kleiner Bewuchs, Disteln und Brennesseln.
Die Kläger haben geltend gemacht: Ihr Grundstück werde durch den in der Blütezeit stattfindenden Samenflug der Disteln erheblich beeinträchtigt; während dieser Zeit könnten sie auf ihrer Terrasse nicht Kaffee trinken. Außerdem wüchsen in erheblichem Umfang Brennesselpflanzen über die Grenze auf ihr Grundstück hinüber.
Die Kläger haben beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, Maßnahmen zu treffen, welche den Distelsamenflug und das Überwuchern von Brennesseln auf ihr Grundstück verhinderten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat eingewandt: Für das Gelände sei ein Konzept entwickelt worden, welches sich an den Vorgaben des Landschaftsgesetzes Nordrhein-Westfalen orientiere. Ziel sei der Erhalt der vorhandenen Ruderalfläche, weil die ursprünglich festgesetzte landwirtschaftliche Rekultivierung ökologisch nicht vertretbar sei. Das Grundstück der Kläger werde hierdurch nicht oder kaum nennenswert beeinträchtigt.
Das Landgericht hat nach Durchführung einer Ortsbesichtigung die Klage abgewiesen. Auf das Urteil vom 13. August 1992 wird Bezug genommen.
Die Kläger haben Berufung eingelegt, mit der sie ihren erstinstanzlichen Antrag weiterverfolgen, während die Beklagte um Zurückweisung des Rechtsmittels bittet.
Die Parteien wiederholen und ergänzen ihr früheres Vorbringen. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streistandes wird auf die Schriftsätze und deren Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung hat keinen Erfolg.
1.
Die Kläger können von der Beklagten nicht verlangen, daß sie Maßnahmen gegen das Hinüberfliegen von Distelsamen auf ihr, der Kläger, Grundstück trifft. Die Vorschrift des § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB rechtfertigt den geltend gemachten Anspruch nicht. Der nachbarrechtliche Abwehranspruch „paßt” nicht auf die Fälle, in denen die Einwirkung auf ein Grundstück Folge des Wirkens von Naturkräften ist (ständige Rechtsprechung des erkennenden Senats, u. a. Urteil vom 25.10.1989 – 9 U 51/89 – in NJW-RR 1990, 144 = MDR 1990, 245). Soweit eine Einwirkung ausschließlich durch das Walten der Naturkräfte ausgelöst wird, kommt ein Beseitigungsanspruch ohnehin nicht in Betracht (BGHZ 90, 255 = NJW 1984, 2207; BGH NJW 1985, 1773). Ein Anspruch kann allenfalls begründet sein, wenn der in Anspruch genommene Grundstückseigentümer die Störung durch eigene Handlungen ermöglicht oder durch pflichtwidriges Unterlassen herbeigeführt hat (vgl. BGHZ 90, 255 = NJW 1984, 2207, unter II 2). In diesem Sinne zurechenbar sind der Beklagten die von dem Distelsamenflug ausgehenden Störungen des Grundstücks der Kläger nicht. Die Beklagte hat nach Schließung der Deponie das Grundstück nicht bearbeitet (rekultiviert), sondern als sogenannte Ruderalfläche dem Wirken der Natur überlassen, weil sie dies für ökologisch sinnvoll hält. Von einer solchen „Nutzung” des Grundstücks auf das Grundstück der Kläger einwirkende „Störungen” sind daher nicht rechtswidrig und nicht mit der Eigentumsstörungsklage abwehrbar.
Zudem ist zu berücksichtigen, daß die Beklagte, wenn sie entsprechend dem Begehren der Kläger die Disteln vor der Blütezeit beschneiden würde, in den Kreislauf der Natur eingreifen würde. Dazu kann sie nicht gezwungen werden.
Für die Anwendbarkeit des § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB ist es unerheblich, ob die auf dem Grundstück der Beklagten vorhandenen Distelpflanzen, von denen die von den Klägern beanstandeten Störungen ausgehen, als Unkraut anzusehen sind. Denn nach Aufhebung des Feld- und Forstgesetzes NW und der hierzu ergangenen sogenannten Unkraut-VO vom 28. Juni 1963 durch Artikel II des Gesetzes zur Änderung des Landschaftsgesetzes vom 6. Mai 1980 (GV NW 1980, 498) ist es grundsätzlich nicht mehr von Bedeutung, welcher Art die jeweiligen Pflanzen angehören.
Ob ein Abwehranspruch bestehen könnte, wenn das Grundstück der Kläger durch den Unkrautsamenflug über das zumutbare Maß hinaus geschädigt wäre, kann für die zu treffende Entscheidung offen bleiben. Denn zu einer solchen, nicht mehr hinzunehmenden Störung des Grundstücks der Kläger kommt es – wie nachstehend noch ausgeführt werden wird – durch den Distelsamenflug nicht.
Die Klageforderung ist auch dann nicht gerechtfertigt, wenn man die Auffassung vertritt, daß sich ein Grundstückseigentümer grundsätzlich gegen das Hinüberwehen von Unkrautsamen mit der Eigentumsstörungsklage nach § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB zur W...