Entscheidungsstichwort (Thema)
Verlust des Unterhaltsanspruchs aus früherer Ehe durch Wiederheirat als ehebedingter Nachteil
Leitsatz (amtlich)
Ein ehebedingter Nachteil, der die Befristung des nachehelichen Unterhalts im Regelfall ausschließt (BGH v. 14.10.2009 - XII ZR 146/08), kann dem Unterhaltsberechtigten aus dem Verlust seines Unterhaltsanspruchs aus einer früheren Ehe durch die Wiederheirat erwachsen.
Normenkette
BGB §§ 313, 1571, 1578b Abs. 2
Verfahrensgang
AG Mülheim a.d. Ruhr (Urteil vom 12.11.2009; Aktenzeichen 22 F 660/09) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des AG - Familiengerichts - Mülheim an der Ruhr vom 12.11.2009 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
2.Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden dem Kläger auferlegt.
3.Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 120 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
5.Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 12 × 200 EUR = 2.400 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagte, seine geschiedene, am 18.2.1939 geborene Ehefrau auf Abänderung seiner am 2.4.2003 durch Vergleich vor dem OLG Frankfurt im Verfahren 3 F 386/96 = 2 UF 69/02 i.H.v. 700 EUR (monatlich) titulierten Unterhaltsverpflichtung in Anspruch.
Die Parteien waren vom 21.4.1978 bis zum 9.12.1987 miteinander verheiratet. Sie lebten seit dem 11.11.1983 voneinander getrennt, weil sich der Kläger einer anderen Frau zugewandt hatte. Die Ehe blieb kinderlos. Zuvor war die Beklagte vom 29.4.1955 bis zum 2.6.1977 in erster Ehe verheiratet. Die Ehe, aus der eine Tochter hervorgegangen ist, wurde wegen Verschuldens des Ehemannes durch Urteil des LG Wuppertal vom 2.6.1977 (Az.: 1 R 210/77) geschieden.
Unterhaltsansprüche gegen ihren ersten Ehemann machte die Beklagte (für die Zeit bis zur Wiederheirat) nicht geltend.
Die Parteien haben bisher drei Unterhaltsvergleiche geschlossen:
Im ersten Vergleich, der im Scheidungstermin, dem 10.12.1987, im Verfahren F 96/87 vor dem AG Biedenkopf protokolliert wurde, verpflichtete sich der Kläger zu einer monatlichen Unterhaltszahlung von 1.010 DM.
Im Rahmen eines Abänderungsverfahrens vor dem AG Biedenkopf (Az. F 85/90) wurde die Höhe des zu zahlenden Unterhalts durch einen zweiten Vergleich am 16.8.1990 auf 1.250 DM festgesetzt, weil sich das Einkommen des Klägers durch die Inanspruchnahme des begrenzten Realsplittings erhöht hatte.
Im Jahr 1996 leitete die Beklagte mit einer Stufenklage ein weiteres Abänderungsverfahren (Az. 3 F 386/96) vor dem AG Biedenkopf ein, in dem der Kläger widerklagend die Befristung des titulierten Unterhaltsanspruchs beanspruchte. Das AG Biedenkopf sah den Unterhaltsanspruch als nicht befristbar an, setzte in dem am 13.11.2001 verkündeten Urteil den Unterhaltsanspruch der Beklagten jedoch gem. § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. auf den angemessenen Bedarf herab. Diese Entscheidung wurde von beiden Parteien mit der Berufung angegriffen. Vor dem OLG Frankfurt verpflichtete sich der Kläger sodann in dem am 2.4.2003 im Verfahren 2 UF 69/02 geschlossenen Vergleich zur Zahlung eines nachehelichen Unterhalts, der auf der Grundlage der beiderseitigen Renteneinkünfte der Parteien sowie des Wohnvorteils des Klägers, dessen Höhe die Parteien mit 640 DM = 327,23 EUR bewerteten, berechnet wurde. Ab Januar 2005 schuldete er demgemäß monatlich 700 EUR.
Der Kläger bezieht eine Regelaltersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung i.H.v. 1.147,98 EUR sowie eine ZVK-Rente i.H.v. 298,44 EUR. Die Höhe der Regelaltersrente der Beklagten beläuft sich seit Mitte 2009 auf 317,85 EUR.
Die Beklagte leidet seit 2002 an einer Blutkrebserkrankung und wurde nach einem im Jahr 2007 diagnostizierten Dickdarmkrebs operiert. Daneben bestehen alterstypische Leiden.
Der Kläger forderte die Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 26.5.2009 zur Auskunft auf. Seine Klage ist seit dem 5.8.2009 rechtshängig.
Das AG hat den titulierten Unterhaltsanspruch für die Zeit ab Juni 2010 auf 500 EUR herabgesetzt und bis zum 30.6.2011 befristet. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie die Abweisung der Abänderungsklage anstrebt.
Sie macht geltend, dass ihr Vertrauen in eine unbegrenzte Fortdauer ihres Unterhaltsanspruchs durch § 36 EGZPO insb. im Hinblick auf ihr Alter, ihren Gesundheitszustand und die Dauer des streitgegenständlichen Unterhaltsanspruchs geschützt sei. Zudem hält sie ihren Unterhaltsanspruch aus den vorstehenden Gründen für nicht befristbar, zumal sie ehebedingte Nachteile erlitten habe.
Die Beklagte beantragt, die angefochtene Entscheidung abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die Fortdauer seiner Unterhaltsverpflichtung für un...