Leitsatz (amtlich)

1. Im Falle einer Ersatzeinreichung hat die Glaubhaftmachung der vorübergehenden technischen Unmöglichkeit der elektronischen Übermittlung des Dokuments nach § 130d S. 3 ZPO möglichst gleichzeitig mit der Ersatzeinreichung zu erfolgen. Eine unverzügliche Nachholung kommt ausschließlich dann in Betracht, wenn der Rechtsanwalt das technische Defizit erst kurz vor Fristablauf bemerkt und ihm daher nicht mehr genügend Zeit für die gebotene Darlegung und Glaubhaftmachung in dem ersatzweise einzureichenden Schriftsatz verbleibt.

2. Die Mitteilung der Gründe für die Ersatzeinreichung nach mehr als einer Woche ist im Regelfall nicht mehr unverzüglich i.S.d. § 130d Satz 3 ZPO.

3. Die Bekanntheit einer technischen Störung auf Seiten des Gerichts entbindet den Einreicher jedenfalls nicht gänzlich davon, die Ursächlichkeit der Störung für die Übermittlung in Papierform oder per Telefax glaubhaft zu machen (Anschluss an OLG Hamm, Beschl. v. 03.07.2023 - 31 U 71/23, NJOZ 2023, 1582).

 

Normenkette

ZPO § 130d

 

Verfahrensgang

LG Düsseldorf (Aktenzeichen 4a O 29/22)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das am 20.03.2023 verkündete Urteil der4a Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird als unzulässig verworfen.

II. Die Klägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind für die Beklagten wegen ihrer Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 1.000.000,- EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten und in englischer Verfahrenssprache veröffentlichten europäischen Patents ...997 (Klagepatent), das die Bezeichnung "X." ("X.") trägt. Aus diesem Schutzrecht nimmt die Klägerin die Beklagten wegen des Angebots und Vertriebs von drahtlosen Ladegeräten mit den Artikelbezeichnungen "X.1", "X.2" (auch "X.3") und "X.4" (angegriffene Ausführungsformen) auf Unterlassung, Rechnungslegung, Auskunftserteilung, Vernichtung und Rückruf der als patentverletzend angegriffenen Gegenstände sowie Feststellung ihrer Verpflichtung zum Schadensersatz in Anspruch.

Durch Urteil vom 30.03.2023 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die angegriffenen Ausführungsformen von der technischen Lehre des im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemachten Patentanspruchs 20 des Klagepatents keinen Gebrauch machen.

Gegen dieses ihren früheren Prozessbevollmächtigten am 20.03.2024 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einem am 20.04.2023 um 11.03 Uhr bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 20.04.2023 per Telefax Berufung eingelegt. Mit Schriftsatz vom 08.05.2023 hat die Klägerin das in der Berufungsschrift aufgrund eines Büroversehens zunächst falsch angegebene erstinstanzliche Aktenzeichen korrigiert und in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass "infolge des seinerzeitigen beA-Ausfalls" die auf den "18.04.2023" datierte Berufungsschrift am 20.04.2023 per Telefax eingereicht worden ist.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr vor dem Landgericht erfolglos gebliebenes Klagebegehren unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags weiter. Sie ist der Auffassung, dass die Berufung wirksam eingelegt worden ist, und trägt hierzu auf einen Hinweisbeschluss des Senats vom 21.03.2024 (Bl. 653-654 eA-OLG) u.a. vor:

Wie durch die nunmehr vorgelegten Auszüge aus dem Service-Portal portal.beasupport.de und dem EGVP-Portal NRW unter egvp.de belegt werde, habe zum Zeitpunkt der Einreichung der Berufung am 20.04.2023 eine umfassende Störung des EGVP im gesamten Land Nordrhein-Westfalen vorgelegen. Die Störung habe bereits am 19.04.2023 begonnen, so dass eine Übermittlung der am Vortag entworfenen Berufungsschrift per beA gescheitert sei. Da diese technische Störung am 20.04.2023 noch angedauert habe, sei die Berufung, wie sich aus der als Anlage BP B1 vorgelegten Stellungnahme ihrer damaligen Prozessbevollmächtigten ergebe, am 20.04.2023 schließlich per Fax eingereicht worden. Wie in dieser Stellungnahme weiter ausgeführt werde, sei nach der Ersatzeinreichung per Fax die entsprechende Berufungsfrist ohne weitere Glaubhaftmachung weisungswidrig gestrichen worden. Stattdessen hätten sich die Bürokräfte ihrer früheren Prozessbevollmächtigten die Einreichung telefonisch von der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts bestätigen lassen. Beim Ausfall des EGVP am 20.04.2023 durch einen technischen Defekt auf Seiten des EGVP-Anbieters handele es sich um eine gerichtsbekannte Tatsache. Dies ergebe sich u.a. daraus, dass die Störungsmeldung seinerzeit auf dem vom Land Nordrhein-Westfalen betriebenen Portal egvp.de veröffe...

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